Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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22MAI2021
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Fanny ist 25 und studiert Jura. Sie gehört zu den Menschen, die gerne alles planen. Ihre Veranstaltungen fürs Studium, Etappen auf Reisen, ihren Speiseplan für die Woche. Seit dem Frühjahr letztes Jahr erlebt sie, dass sie ihre Pläne ständig über den Haufen werfen muss.

Fanny bemerkt, wie sie reagiert auf das, was sich alles verändert hat. Manchmal ist sie wütend, weil sie ihr Leben gemocht hat, wie es war. Manchmal ist sie auch überrascht. Weil es ihr leichter fällt als sie dachte, wenn sich Pläne ändern. Sie fängt wieder an zu stricken und erinnert sich, dass sie das als Jugendliche schon gerne gemacht hat. So entsteht ein Pullover, den sie selbst entworfen hat. Aber manchmal überfällt sie auch große Angst. Selbst schwer krank zu werden. Berichterstattungen im Fernsehen zu Covid 19 kann sie fast nicht mehr sehen. Und oft vermisst sie, dass sie sich nicht einfach mit ihren Freunden treffen kann. Dafür geht sie jetzt öfter raus und freut sich, dass sie mehr in der Natur ist. Und sie ruft ihren 80jährigen Großvater regelmäßig an. Das hat sie davor auch nicht gemacht. Die Gespräche mit ihm tun ihr gut. Er hat noch das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt und erzählt ihr, dass der Krieg als Kind für ihn schlimmer war als die Krise jetzt. Er ist froh, dass er ein Dach überm Kopf hat, essen kann, was ihm schmeckt und dass er keine Angst vor Bombenangriffen haben muss.

Fanny‘s Leben hat sich verändert. Ja. Sie ist wütend. Und traurig. Und überrascht. Und sie hat Angst. Und ist genervt. Und sie freut sich, erinnert sich an Dinge, die sie früher gern gemacht hat und entdeckt Neues. Das alles tut sie nicht entweder oder. Sondern nacheinander, manchmal gleichzeitig.

Ich frage Fanny, wie es ihr geht. Jetzt, nach einem Jahr Corona. Es beeindruckt mich, was die junge Frau sagt: Ich habe richtig viel gelernt. Über mich selbst. Und über meinen Großvater. All diese Veränderungen sind nicht entweder schlecht oder gut. Es gibt von allem etwas. Ich stelle fest, dass es mir gefällt, weniger zu planen. Ich weiß jetzt, dass ich noch nie in meinem Leben auf irgendetwas wirklich verzichten musste. Es ist gut für mich, dass ich das erlebe. Ich merke, dass ich auch anders leben kann.

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