Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Das werde ich nie vergessen, dieses Bild, wie der Mensch dort im Krankenhaus uns zuwinkte, oben aus dem Fenster, blass, in seinem Flügelhemd stand er da, wie ein Engel schon, gezeichnet von seiner Krankheit. Jeder, auch er selbst wusste Bescheid. Es waren nur wenige Tage zu leben. Aber er stand da, aufrecht, winkte und rief mit klarer deutlicher Stimme: „Hier bin ich König“.

Das habe ich nicht vergessen. Es ist schon einige Jahre her, in einem fremden Land. Aber er sagte es in meiner Sprache, auf Deutsch. Ein junger Mann noch, gerade mal vierzig. Drei Kinder, eine junge Frau. Und Menschen, die noch viel von ihm erwartet haben. „Hier bin ich König“.

Das hat mich angerührt. Aber ich habe es damals nicht verstanden. Jetzt will ich es versuchen, mit Ihnen, neu zu begreifen, in der Karwoche. Ich weiß heute: Der kranke Mann, der uns diese vier Worte zum Abschied gab, hat etwas verstanden von der Passion Jesu Christi. Er hat begriffen: in meiner unheilbaren Krankheit bin ich nicht allein. Da erlebe ich nicht allein meine Passion sondern auch die Passion Jesu. Und: Jesus Christus herrscht als König. Das war für ihn klar.

Ich weiß nicht, ob ich selbst es so sagen könnte. Die Königsherrschaft Christi und ich als König. Das ist mir eher fremd, so ein royalistisches Bild. Aber die Passion Jesu, sein Leiden und Sterben, das glaube ich fest: das hat etwas zu tun mit unserem Kummer, unseren Sorgen und Defiziten. Bei jedem Atemzug kann ich es spüren. Einatmen. Ausatmen. Das hängt zusammen mit ihm. Der Kummer, der manchmal meine Seele beherrschen möchte, kommt damit nicht durch. Mit jedem Atemzug kann ich etwas loslassen von dem Druck, der sich da aufbauen will.
So kann ich aufrecht gehen. Offen denken. Das hat mit ihm zu tun, der in mein Leben hineinging. Es ist seine Passion, seine Leidenschaft, das Leben mit mir zu teilen. Das macht mich froh.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3317
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