SWR2 Wort zum Tag

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19MAI2021
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In diesen Tagen ist irgendwie alles verschwommen. Nichts hat mich richtig erreicht – das hat mir eine Frau erzählt, deren Mann überraschend gestorben ist.
Aber dass die Nachbarn immer wieder gekommen sind und einen Hefezopf oder was zum Mittagessen vorbeigebracht haben – das hat mit gutgetan.

Wenn jemand sehr traurig ist, macht das andere oft ratlos. Man kann ja nicht wirklich helfen – und alles, was man sagt, scheint irgendwie unpassend. Aber ich glaube: Es braucht oft auch keine großen Worte. Es sind die kleinen, einfachen Gesten, die gut tun. Etwas zu essen und zu trinken, eine Stärkung für den Körper – das hilft auch der Seele.

Die Bibel erzählt davon in der Geschichte vom Propheten Elia. Elia hat mit seinem religiösen Eifer die Königin gegen sich aufgebracht, die nun droht, ihn umzubringen. Müde von den harten Auseinandersetzungen hat Elia nicht mehr die Kraft, sich in Sicherheit zu bringen. Er geht in die Wüste und will nur noch sterben. Regelrecht lebensmüde ist er. Und schläft ein. Aber er bleibt nicht allein. Ein Engel, so erzählt die Bibel, kommt zu ihm, bringt ihm ein geröstetes Brot und einen Krug mit Wasser und weckt ihn auf: „Steh auf und iss!“ Elia isst – und schläft erschöpft wieder ein. Dreimal geht das so. Beim dritten Mal legt sich Elia aber nicht wieder schlafen. Er hat neue Kraft bekommen und macht sich auf den Weg.

Steh auf und iss! Was mich an dieser Geschichte besonders berührt, ist die Geduld, die der Engel hat. Er scheint zu wissen, dass Elia Zeit braucht und Ruhe. Der Engel lässt ihn schlafen. Aber eben nicht nur. Er kommt auch immer wieder, weckt ihn auf, bringt eine Stärkung. Nichts Besonderes, einfach nur geröstetes Brot und Wasser. Aber so holt er Elia allmählich zurück ins Leben. Nicht nur sein Körper erholt sich, sondern auch seine Seele.

Ich glaube: Auch wir können andere auf diese Weise stärken. Mit viel Geduld und ein wenig Nahrung für Körper und Seele. Die Nachbarin tut das, die einen Hefezopf vorbeibringt. Die Schwester, die einen Tee kocht und einfach danebensitzt und wartet, bis er getrunken ist. Der Freund, der einen Wurstsalat und ein Brötchen einpackt und einfach mal klingelt.

Ich finde, die Geschichte von Elia macht Mut, auf andere zuzugehen, wenn sie traurig sind und keine Kraft haben. Denn ich glaube, es ist wie bei Elia: Manchmal genügt es, zu kommen und ein Brot und etwas zu trinken zu bringen, um für andere ein Engel zu sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33159
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