SWR2 Wort zum Tag

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17MAI2021
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Ich war richtig unruhig. Ich wusste nicht, ob ich das gut hinbekomme... Ein Bekannter hat mir von seinem Treffen mit einem Freund erzählt. Sein Freund steckt gerade in einer Krise. Die beiden waren verabredet – und ausgerechnet am Tag darauf hatte der Freund einen schwierigen Termin vor sich.

Soll ich die Einladung besser verschieben? Und was soll ich tun oder sagen, wenn wir uns sehen? Solche Gedanken sind dem Gastgeber vorher durch den Kopf gegangen. Unnötigerweise, wie ihm danach klar war: Wir hatten einen guten Abend, hat er mir später erzählt. Wir haben über ernste Dinge geredet, aber trotzdem auch gelacht. Ich glaube, es war gut, dass er nicht allein war an dem Abend.

Das Grübeln im Vorfeld war nicht nötig. Aber ich habe den Eindruck: Der Bekannte ist mit seiner Verunsicherung nicht allein. Wenn es einer Freundin oder einem Nachbarn richtig schlecht geht, fällt der Kontakt oft nicht leicht. Manche vermeiden es sogar, sich zu melden, weil sie Sorge haben, etwas falsch zu machen.

Ich kann das gut nachvollziehen. Aber ich bin überzeugt: Sich zurückzuziehen und den Kontakt zu vermeiden, das tut niemandem gut. Und ich glaube: Es ist meist gar nicht nötig, viel zu tun oder zu sagen. Im Gegenteil.

Es gibt eine Bibelstelle, die das für mich sehr eindrücklich beschreibt. Es geht um Hiob. Den Mann, den nach und nach die sprichwörtlichen Hiobsbotschaften erreichen. In kurzer Zeit verliert er alles, was ihm lieb und teuer ist. Sein Hab und Gut, seine Gesundheit, schließlich sogar seine Kinder. Ein unbeschreibliches Leid.

Drei seiner Freunde hören von Hiobs Schicksal. Sie kommen, um bei ihn zu sein. Und sie erschrecken darüber, wie er aussieht. Und was tun sie? Buchstäblich nichts: Sie saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war. (Hiob 2,13) So erzählt es das Buch Hiob.

Sieben Tage einfach da sein und nichts sagen. Das würde ich sicher nicht schaffen. Zeitlich nicht und psychisch auch nicht. Und trotzdem finde ich das, was von Hiobs Freunden erzählt wird, hilfreich. Die Freunde Hiobs zeigen mir, welche Kraft es haben kann, gemeinsam zu schweigen. Und auf diese Weise deutlich zu machen: Ich spüre, dass dein Schmerz groß ist. Ich bin da und lasse dich nicht allein.

Auf jeden Fall macht mir die Geschichte von Hiobs Freunden Mut, mich nicht zurückzuziehen, wenn Menschen in meiner Nähe in Not sind. Auch wenn ich nicht viel für sie tun kann. Ich glaube: Da sein, den Kontakt halten – mehr braucht es oft nicht. Aber auch nicht weniger.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33157
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