SWR2 Wort zum Tag

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15MAI2021
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„Darf die Kirche homosexuelle Beziehungen segnen?“ Diese Frage provoziert Reaktionen. Die Glaubenskongregation der katholischen Kirche hat dazu Nein gesagt. Doch immer mehr gläubige Christinnen und Christen wollen dieses Nein nicht mehr akzeptieren.

Die Glaubenskongregation begründet die ablehnende Haltung gegenüber der Homosexualität sehr oft mit biblischen Texten und der Tradition. Aber wie werden die Texte interpretiert?

Alle biblischen Texte sind von Menschen geschrieben und das bedeutet, dass sie zu einer ganz konkreten Zeit in einer ganz konkreten Situation geschrieben worden sind. Ich kann nicht erwarten, dass die Bibel auf komplizierte moderne Fragen schlichte und einfache Antworten gibt.

Das was Psychologie und Medizin heute über Homosexualität erforscht haben, kann man nicht mit der Sichtweise in der altorientalischen Welt gleichsetzen.

Auch der Glaube an Gott entwickelt weiter.

Mir geht in der ganzen Debatte durch den Kopf, was der Freiburger Theologieprofessor Magnus Striet geschrieben hat. Zusammengefasst klingt das in etwa so:

„Ein freier und liebender Gott will doch, dass Menschen ihr Leben freiheitlich gestalten. Gott will dann aber auch, dass sich Menschen in ihrer Würde unbedingt anerkennen sollen.

Professor Striet geht weiter davon aus, dass Menschen ihr sexuelles Begehren so leben können, dass sie sich gegenseitig wertschätzen und respektvoll achten.

Er sagt: „Wenn ich das annehme und ernst nehme, dann entfällt jedes Argument gegen die gelebte gleichgeschlechtliche Liebe.“

Klar, kann man dagegen argumentieren: Diese Vorstellung von Gott ist doch nur persönliches Wunschdenken. Die Bibel sagt was Anderes. Ich kann mir Gott doch nicht so basteln, wie ich es möchte?

Da stelle ich die Frage anders herum:

Ist denn ein anderer Gott – also einer, der nicht will, dass wir uns entfalten, der nicht will, dass wir uns unsere Würde lassen – ist so ein Gott überhaupt glaubwürdig und moralisch akzeptabel?

Was wäre das für ein Gott, der es zulässt, dass ein Mensch homosexuell empfindet, nur um ihm dann zu verbieten so zu fühlen und vor allem danach zu leben?

Was soll das für ein Gott sein, der Menschen verbietet in Treue und Liebe sich an einen gleichgeschlechtlichen Partner zu binden?

Gott, so steht es in der Bibel, führt Menschen aus der Sklaverei heraus, sodass sie selbstbestimmt und solidarisch leben können.

So macht es auch Jesus. Er hat Menschen von Zwängen und Erwartungen befreit.

Wenn ich ernst nehme, dass Gott in der Bibel immer und immer wieder Menschen in die Freiheit führt, sehe ich keine Gründe wieso Gott respektvoll gelebte Sexualität egal welcher Orientierung verbieten sollte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33137
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