SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

10MAI2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Dankbarkeit geht manchmal seltsame Wege – und kann ziemlich nachhaltig werden: wer hat schon 200 Erben…

Jeanine Vromant in Dieppe in der Normandie war  ein ziemlich spezieller „Fall“ für ihren Notar: Sie zog eine eng beschriebene Liste aus der Tasche: Das sind meine Erben. Ich habe gut verdient und alles gespart, bin allein und ohne Familie und diesen Menschen da bin ich dankbar.  Das sollen sie dann auch spüren, wenn ich gestorben bin.

Ich habe erst kürzlich von Madame Vromant gehört –  und von der Bushaltestelle „Jeanine Vromant“ in Dieppe. Nun ist da weder eine Straße mit diesem Namen in der Nähe noch ist die Dame besonders bekannt oder verdient um die Stadt –  das wären ja gute Gründe, eine BusHalte nach ihr zu benennen. Hier ist es einfach nur: Dankbarkeit – vielleicht Dankbarkeit hoch zwei.

Der Notar hatte seine liebe Mühe mit Madames Testament. Eine lange Liste von zweihundert Erben; von manchen stand da ein Vorname,  von den meisten noch weniger. Der Installateur, der den Wasserfleck an meiner Decke weggemacht hat; die Kassiererin im Laden, die immer so freundlich war. Viele viele andere Menschen, denen Jeanine etwas zu verdanken hatte in ihren sechsundachtzig Lebensjahren. Die ihr geholfen hatten oder ihr einfach das Leben ein wenig freundlicher oder leichter gemacht. Jede und jeder von ihnen bekam nach Jeanines Tod knapp zweitausend Euro.

Und zu denen gehörten auch die vierzig Busfahrer von Stradibus, dem Verkehrsunternehmen der Stadt. Die hatten auch schon mal vor ihrem Häuschen gehalten, wenn sie vom Einkaufen oder von der Arbeit zurückkam. So sparte sie sich den Weg von der offiziellen Haltestelle –  schließlich war Jeanine stark geh-behindert. Eigentlich ist so ein Service dem Öffentlichen Busfahrer ja verboten; aber gut, bei einer so freundlichen Dame.

Groß wäre diese Geschichte schon mal, weil sie zeigt,  dass auch ganz selbstverständliche alltägliche Sachen einen Menschen  so dankbar machen können.  Allzu oft nehmen die Leute das ja einfach so mit  oder übersehen es sogar. Und – zweitens: So eine Dankbarkeit kann und wird zurückkommen. Jetzt endlich kommt die Bushaltestelle: Zum Dank und sozusagen zum ewigen Angedenken für Madame Vromant haben Busfahrer und Stradibus eine neue Haltestelle nach ihr benannt.

In dieser Erinnerung bleiben sie alle noch lange irgendwie lebendig in Dieppe: Die Dankbarkeit der Chauffeure, Jeanines Dankbarkeit  und damit ja auch irgendwie sie selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33133
weiterlesen...