SWR2 Zum Feiertag

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13MAI2021
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Alexander Foitzik: Zum Fest „Christi Himmelfahrt“ spreche ich heute mit Schwester Margareta Gruber.

Sie ist Professorin für Neutestamentliche Exegese und Biblische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar und gehört zu der Kongregation der Franziskanerinnen des Klosters Sießen.

Frau Professorin Gruber, liebe Schwester Margareta. Heute feiern Christinnen und Christen die „Himmelfahrt Christi“. Wie kann oder soll man sie sich eigentlich vorstellen, diese Himmelfahrt?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Unsere Vorstellung ist von Bildern bevölkert, die wir gesehen haben: Christus schreitet in den Himmel, aus dem ihm Gott seine Hand entgegenstreckt, oder er schwebt mit ausgestreckten Armen nach oben, oder er entschwindet in die Wolken und nur seine Füße streckt er noch heraus. Im Spätmittelalter wurde eine Figur opernhaft die Kirche hinaufgezogen und die Osterkerze gelöscht.

Das Neue Testament ist viel nüchterner. Dort heißt es einfach: er wurde vor ihren Augen emporgehoben. Das berichtet auch nur Lukas, und selbst er hat zwei Versionen: Im Evangelium findet das am Morgen des Montags nach Ostern statt; nur in der Apostelgeschichte schreibt er von den 40 Tagen.

Alexander Foitzik: Demnach hat Lukas also die „Himmelfahrt“ sozusagen erfunden?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Nein. Er hat für seine Botschaft ein eingängiges und geniales Bild gefunden.

Was wir uns als Auffahrt in den Himmel bildlich vorstellen, wird biblisch auch Erhöhung, Entrückung oder Verherrlichung genannt. Erhöhung meint, dass jemand bei Gott ist und von dort her vollmächtig für das Heil der Welt wirkt. Das tut der auferstandene Christus. Für Paulus fällt die Erhöhung deshalb z.B. mit der Auferstehung zusammen. Auch im ältesten Credo in 1 Kor 15 wird die Erhöhung nicht genannt, sondern mit der Auferstehung vorausgesetzt. Dann kommt Lukas und macht daraus eine eindrückliche Szene. Die ältesten kirchlichen Glaubensbekenntnisse übernehmen das: „Auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel“.

Alexander Foitzik: Was bedeuten denn die „vierzig Tage“, von denen in der Apostelgeschichte die Rede ist? Befand sich Jesus vierzig Tag lang in einer Art „Zwischenzustand“, zwischen Auferstehung und Himmelfahrt?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Das wird so nur in der Apostelgeschichte gesagt. 40 ist die Heilige Zahl der Vollendung. Was ist vollendet? Das Projekt Menschwerdung! Wenn Christus in den Himmel zurückgekehrt ist, hat sich der Kreis geschlossen, die Verbindung zwischen Himmel und Erde steht sozusagen – störungsfrei für alle Zeit. Christus ist mit seiner ganzen Existenz bei Gott und gleichzeitig gegenwärtig bei den Seinen. Was er aber in den „Himmel“, in den göttlichen Bereich, mitnimmt, sind seine Erfahrungen als Mensch. Unser aller Menschsein, das er ja in seiner Menschwerdung angekommen hat, ist damit in ihm bereits im Himmel, in Gott, angekommen.

Das Christentum feiert das Fest übrigens erst frühestens seit dem vierten Jahrhundert. Am Anfang hat man Tod, Auferstehung und Erhöhung Christ als Einheit und in einer Feier in der Osternacht begangen.

Alexander Foitzik: Den Weg von Karfreitag bis zu Ostern müssen die Jüngerinnen und Jüngern Jesu als ein kaum auszuhaltendes Drama erlebt haben: Gott ganz fern, dann wieder ganz nah! Den Jüngerinnen, die ans Grab geeilt waren, sagt ein Engel: „Er ist nicht hier!“. Dann begegnen sie doch selbst dem von Gott „Auferweckten“. Und die „Himmelfahrt“ Jesu – wieder auf und davon?

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Die Ostererzählungen gehören für mich zu den faszinierendsten Texten des Neuen Testaments. Sie scheinen so klar, aber je genauer man hinschaut desto geheimnisvoller werden sie. Warum erkennen die Jünger und Jüngerinnen ihn nicht? Warum kommt er, aber es wird nicht gesagt, dass er wieder geht? Was bedeutet es, dass es immer wieder um Brot geht? Warum darf Thomas die Wunde berühren? Und so weiter.

Ich glaube immer mehr, dass diese Erzählungen weniger berichten möchten, was konkrete Personen damals mit Jesus erlebt haben, sondern dass es um etwa ganz anders ging: Dieser Jesus, der Auferstandenen, war ja weiterhin gegenwärtig unter den ersten Christen, sie lebten mit ihm und erfuhren ihn, beteten zu ihm. Aber diese Gegenwart war von einer geheimnisvollen Art: Der Auferstandene gibt sich und entzieht sich, er ist „nicht mehr da“ und doch anwesend. Man darf ihn nicht festhalten, aber ihm nachfolgen. Man erkennt ihn am Brotbrechen, an den Wunden, und im Armen. Das hat viel zu tun mit dem, was auch Menschen heute erfahren. Gott ist gegenwärtig in der Verborgenheit. Er offenbart sich und er entzieht sich. Beides ist oft kaum zu unterscheiden. Ostern ist kein Happy end sondern der Beginn einer neuen Weise, wie Gott unter den Menschen gegenwärtig ist. 

Alexander Foitzik: Das biblische Buch „der Offenbarung des Johannes“ ist für Sie, Frau Professorin Gruber, ein Schwerpunkt ihrer Forschung und Lehre. In diesem Buch ist von dem Versprechen „eines neuen Himmels und einer neuen Erde“ die Rede. Was hat diese Verheißung mit Christi Himmelfahrt zu tun?  

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Ganz knapp so: Wenn die Himmelfahrt Christi bedeutet, dass unser ganzes armes Menschsein mit seinem auferstandenen Leben bereits bei Gott angekommen ist, dann ist der „Himmel“, das Leben mit oder in Gott, das Ziel von allem geschaffenen Leben. Der neue Himmel und die neue Erde kommen vom Himmel her auf die Erde – also hat das mit Verwandlung der Erde zu tun, nicht mit ihrer Zerstörung.

Alexander Foitzik: Schwester Margareta, Sie haben vier Jahre lang in Jerusalem ein ökumenisches Haus für Theologiestudierende geleitet. In dieser Stadt erinnert man an die „Himmelfahrt Jesu“, aber auch an die „Himmelsreise“ des Propheten Mohammed. Worin unterscheiden sich die beiden „Himmelfahrten“? Aber auch umgekehrt: Kann das nicht auch zum Gespräch miteinander inspirieren - wenn wir, Muslim*innen und Christ*innen, gemeinsam zum Himmel schauen?  

Prof. Dr. Sr. Margareta Gruber: Was der Prophet Mohammed erfahren hat ist keine Himmelfahrt, sondern eine Himmelsreise, also ein Zustand der Entrückung, wie ihn im Neuen Testament etwa Paulus von sich beschreibt. Mohammed befand sich in Mekka und wurde von dort im Traum „zur fernen Anbetungsstätte“ geführt. Gemeint ist Jerusalem und der Heilige Ort des Tempelberges. Die erste Gebetsrichtung der Muslime war ja nicht Mekka, sondern Jerusalem. Durch die Traumerfahrung des Gründers schreibt sich die junge muslimische Gemeinde in die biblische Heilsgeschichte ein. Erinnert wird an Mose, aber auch die anderen großen Propheten mit ihren Gotteserfahrungen auf dem Berg, damit auch an Jesus mit seiner Erfahrung der Verklärung auf dem Berg Tabor. Jerusalem ist auch für die Muslime der Ort des privilegierten Gebetes. Wenn man das nicht als Streitapfel versteht, wie es sich heute darstellt, sondern als ein gemeinsamer Auftrag von Gott für die Welt, dann sehe ich hier einen Anknüpfungspunkt für das Gespräch, vielleicht sogar mehr: Franziskus von Assisi war so kühn, sich einen Aufruf zum gemeinsamen Gebet vorzustellen. Der könnte aus Jerusalem kommen, aber auch aus jeder anderen Stadt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33117
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