Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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14MAI2021
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Sind Sie ein starker Mann? Woran machen Sie es fest? Mann kann auf die Hantelbank gehen und Gewichte auflegen. Oder Mann kann sich aufs Fahrrad setzen und 1 Stunde lang 100 Watt treten. Oder 150. Je nach Form und Alter. Ich finde das gut und bewundernswert, wenn Sie als Mann in diesem Sinn „stark“ sind. Ohne Ironie. Ich wäre manchmal gern auf diese Art stärker.

Ich finde, es gibt aber auch andere Qualitäten, die uns Männer „stark“ machen. Z.B. wie wir mit jemand umgehen, der krank ist. Mit mir selber und anderen.

Ich kenne Männer, die werden schwach, wenn sie einen Krankenbesuch machen sollen. Schon gar im Krankenhaus. „Ich weiß nicht, was sagen. Und allein schon der Geruch macht mich fertig.“ Hat ein starker junger Mann zu mir gesagt. Wenn er es vermeiden kann, umgeht er Krankheit. Ich glaube, mancher starke Mann kann auch nicht gut aushalten, wenn er selbst krank ist. Eine Sportverletzung ist oK. Das ist ja beim Starkmachen passiert. Da ist man verletzt. Aber krank. Das ist anscheinend für manchen zu viel Schwäche.

Denn erst mal geht es darum, stark zu sein. Und wenn man krank ist, ist man nicht stark. Anscheinend. Mann selber hält sich nicht gut aus, wenn man schwach ist. Und mancher erträgt auch nicht gut, wenn andere schwach scheinen. Mancher Mann hält Kranksein für schwer vereinbar mit Starksein.

Dabei mache ich oft eine andere Erfahrung. Ich glaube, beim Kranksein müssen Menschen oft stärker sein als beim Gesundsein. Wenn ich strotzgesund bin, bin ich einfach stark. Wer krank ist, muss was aushalten. Schmerzen. Sich mit seiner „Schwäche“. Und Kranksein erfordert oft viel Kraft. Geistige, körperliche und seelische. Es kann anstrengen, gesund zu werden.

Ich finde es darum ein Zeichen von Stärke, wenn man als Mann annehmen kann, wenn man krank ist. Und wenn ich Hilfe annehmen kann. Und es ist auch Stärke, wenn ein Mann zu jemandem hält, der oder die krank ist. Wenn man Kranksein nicht überspielt. Und die, die krank ist, für voll nimmt. Auch wenn wir Menschen schwach sind, sind wir vollwertig.

Ich finde es erstaunlich und stark, dass dieses Bild vom Menschen schon Paulus in der Bibel vor 2000 Jahren gefunden hat. Er war anscheinend nicht der Gesündeste. Erst wollte er seine Schwäche loswerden. Aber sie blieb. Und dann hat er sie annehmen können. „Gott hat mir deutlich gemacht,“ hat Paulus geschrieben: „Du brauchst nicht mehr als meine Gnade. Denn meine Gotteskraft kommt gerade in der Schwäche zur Geltung.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33103
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