SWR4 Abendgedanken

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05MAI2021
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Als Teenager war ich einmal zu Besuch bei der Tante meiner besten Freundin. Sie hatte einen richtig großen Esstisch im Esszimmer stehen. Der Tisch war ca. 3 Meter lang und hat mich echt beeindruckt. Seitdem hatte ich immer den Traum davon, später auch einmal so einen großen Esstisch zu haben: Ein Tisch, an dem alle Platz haben. Wo keiner ausgeschlossen wird oder am extra Kindertisch sitzen muss. Ein Tisch, wo Platz für Gespräche und Austausch ist. Wo es keine Tabus gibt. Ein Tisch an dem man über alles reden kann.

So ein großer Tisch hätte in das kleine Esszimmer meiner Eltern nie reingepasst. Trotzdem hat der Esstisch bei meinen Eltern immer eine ganz zentrale Rolle gespielt. Denn bei uns gab es eine Familienregel: Beim Abendessen sind alle Familienmitglieder da! Denn beim Abendessen wurde alles besprochen: es wurde geplant, was am nächsten Tag anstand. Es wurde Organisatorisches geklärt oder – wenn es tagsüber Streit gegeben hatte, wurde spätestens beim Abendessen das Ganze nochmal geklärt, nachbesprochen und gegebenenfalls Frieden geschlossen.

Und auch bei Jesus spielt der Tisch eine zentrale Rolle: Das gemeinsame Essen ist für Jesus und die Leute, die ihm nachfolgen total wichtig. In der Bibel gibt es viele Geschichten dazu: Mal bekommt Jesus 4000 Menschen satt. Mal 5000. Mal ist er bei einer Hochzeit eingeladen oder er isst mit Zöllnern, Prostituierten und anderen Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. Von seinen Gegnern wird er deshalb spöttisch als Vielfraß und Säufer bezeichnet, der mit Zolleinnehmern und Sündern befreundet ist (Mt 11,19).

Am Abend vor seiner Kreuzigung lädt Jesus ein letztes Mal Menschen zum Essen ein: seine zwölf engsten Freunde. Noch heute erinnern sich Christen an dieses gemeinsame Essen, wenn sie Abendmahl feiern. Denn für Jesus ist das gemeinsame Essen Sinnbild dafür, wie die Menschen miteinander umgehen: Mit Feinden isst man nicht zusammen. Aber mit Menschen, die man respektiert und anerkennt sehr wohl. Jesus will seinen Nachfolgern also sagen: Setzt euch gemeinsam an den Tisch. Erzählt euch, was euch bewegt und beschäftigt. Teilt euren Glauben und wenn ihr euch zerstritten habt, schließt Frieden miteinander.

Diese Einladung nehme ich gern an, denn so lebe ich nach dem Vorbild Jesu. Aktuell geht es nicht, mit vielen Menschen an einem Tisch zu sitzen. Aber im kleinen Kreis geht es und das nutze ich gern.

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