SWR1 3vor8

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02MAI2021
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Fünfter Sonntag der Osterzeit B | Johannes 15,1-8

Wie aus einem Lehrbuch für Weingärtner - so lesen sich Teile des heutigen Sonntagsevangeliums. Und zwar für Weingärtner, die auf Qualität Wert legen. Es heißt dort: Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt[1]. Genau so gehen Winzer vor, die am Ende einen richtig guten Wein in der Flasche haben wollen. Sie reduzieren den Ertrag und achten pingelig auf Sauberkeit. Wenn man aber eine Flasche mit so einem guten Tropfen öffnet, dann ist die Mühe, die darin steckt, so gut wie vergessen.

Ich wundere mich nicht darüber, dass Jesus den Weinbau als Bild wählt, um etwas über den Glauben zu sagen. Wir wissen, dass Jesus gern mit Freunden und Fremden zusammen gegessen und getrunken hat. Und das Letzte Abendmahl mit Brot und Wein sagt ein Übriges. Dort hat Jesus sich selbst mit Wein verglichen. In jeder Eucharistie, die ich als Priester feiere, erinnere ich an seine Worte: Der Wein ist mein Blut, das für euch vergossen wird.

Für Jesus im Johannesevangelium ist Gott wie der Weingärtner, der mit ihm als seinem Sohn einen einzigartigen Weinstock auf unserer Erde gepflanzt hat. Und jetzt will er sehen, ob seine Schöpfung gedeiht: Wächst etwas Gutes daran, oder ist alles vergebens? Jesus beschreibt Gott als sorgfältigen Winzer. Und das hat Konsequenzen für die, die zu Jesus gehören wollen. Es ist also nicht egal, wie man lebt, was man denkt und sagt und wie man sich anderen gegenüber verhält. Mein Leben muss so sein, dass es Jesus entspricht. Nur dann bin ich eine wertvolle Traube, wenn ich nicht für mich allein lebe, sondern gut mit ihm in Verbindung bin und mit anderen eine Traube bilde; wenn ich für Frieden und Gerechtigkeit sorge im Rahmen meiner Möglichkeiten; wenn ich ein Auge habe für jedes Gottesgeschöpf und versuche, Schaden von ihm abwenden. Die Kraft dazu kann ich aus Jesus gewinnen, wenn die Verbindung mit ihm, dem wahren Weinstock, nicht abreißt.

Beim Wein kommt es darauf an, was am Ende in der Flasche ist. Wein ist kein Einheitsprodukt, sondern so vielfältig wie kaum ein Getränk. Es gibt viele unterschiedliche Rebsorten, große teure Gewächse und einfache Tropfen, die auch gut sein können. Wenn ein Wein gelungen ist, stimmt die Balance aus Säure und Süße, der Alkoholgehalt ist nicht zu hoch und der Geschmack verzaubert Nase und Gaumen. Ich stelle mir vor, so gehaltvoll und vielfältig hat Gott sich sein Volk gedacht. Und deshalb verstehe ich Jesu Worte als großen Ansporn: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen[2].

 

[1] Johannes 15,2

[2] Johannes 15,5

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