SWR4 Abendgedanken

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27APR2021
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Fürchtet Euch nicht! Das ist ein Satz, der in der Bibel immer wieder auftaucht. An Ostern berichten die Jünger Jesu, dass der Auferstandene stets mit diesen Worten erschienen ist: Fürchtet euch nicht! Da denke ich mir: Das ist schön und schnell gesagt, aber die Wahrheit ist doch eine andere. Furcht ist ein großes Thema bei vielen Menschen. Sie lauert an vielen Stellen. Die Angst zu versagen. Die Angst, nicht den Erwartungen zu entsprechen - denen von anderen, aber mehr noch den eigenen. Die Angst, zu kurz zu kommen. Die Angst nicht weglaufen zu können, wenn einem alles zu viel wird. Die lange Corona-Zeit bringt viele Menschen an den Rand dessen, was sie ertragen können. Wenn man immer auf der Hut sein muss, ob man sich angesteckt hat, und damit für andere und einen selbst womöglich zur Gefahr wird. Mit rationalen Argumenten kommt man da nicht weiter. Ängste sitzen oft tief verankert in der eigenen Person. Dann nützt auch der wohlmeinende Satz aus der Bibel nichts. Zumindest nicht im Moment und nicht sofort. Denn, andererseits: Wenn man nicht zu hören bekommt, dass es etwas gegen die Angst gibt, das ist furchtbar.

Fürchtet euch nicht. Ich habe gelernt, diesen Satz immer mehr als Grund-Satz zu hören. Also so etwas wie ein Fundament, auf dem ich stehe, ohne es zu bemerken. Er wirkt nicht wie eine Schmerztablette, die man einnimmt. Er verspricht keine schnelle Hilfe. Aber er gilt mir prinzipiell. Die Frauen am Grab Jesu sind trotzdem weggelaufen; die Angst saß ihnen noch lange in den Gliedern. Aber den Satz haben sie auch mitgenommen. Dass es wegen Gott keinen Grund gibt, dass sie sich fürchten müssten. Dass ER seine Sache richtig macht, auch wenn sie das kaum verstehen können. Dass es auf dieser Welt viele Gefahren gibt und Fehler, aber dass von IHM keine Bedrohung ausgeht. Die ersten Zeugen der Auferweckung Jesu haben diesen Satz immer wieder gehört. Als Leitmotiv ihres Glaubens. Als ein Versprechen, das gilt und über ihrem Leben steht. Neben der Angst. Gegen die Angst.

Ob mir das auch gelingt? Immer noch komme ich in Situationen, wo ich ein flaues Gefühl in der Magengrube spüre. Wenn dann noch die Knie zu zittern beginnen und ich meine Gedanken nicht mehr ganz kontrollieren kann, dann ist sie da: die dunkle, unberechenbare Angst. Seit ich darüber sprechen kann, ist es viel besser. Aber am besten ist, wenn ich zu meiner Angst sage: „Ok, du bist da. Du gehörst auch zu mir. Aber du bist nicht alles, und vor allem bist du nicht das Letzte in meinem Leben.“

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