SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

26APR2021
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Ich habe großes Glück: Ich habe gute Nachbarn. Es gibt keinen Streit. Im Gegenteil: Einer ist froh über den andern. Ich weiß aber auch: Das ist nicht überall so. Leider. Streitigkeiten unter Nachbarn gehören zu den häufigsten Problemen, die es unter Menschen gibt. „Die Musik ihrer pubertären Tochter ist zu laut. Der große Baum hängt mit seinen Ästen in mein Grundstück und wirft dort einen Haufen Blätter ab. Ihr Mann grüßt mich nicht.“ Wenn es so weit ist, ist es fast immer zu spät. Und das hat weitreichende Folgen. Wenn das Klima erst mal vergiftet ist, beeinträchtigt das alles. Man wird seines Lebens nicht mehr froh. Aber das muss nicht so sein. Und sollte es auch nicht. Denn die Nachbarn sind die Menschen, mit denen man Tag und Nacht zusammenlebt. Getrennt durch Wände oder ein Stück Garten. Aber sie sind da, und sie sind in unmittelbarer Nähe. Die Nachbarn kommen gleich nach der Familie. Sie sind - christlich gesprochen - meine natürlichen Nächsten. Und wenn es mit denen nicht klappt, wie soll es dann mit der Nächstenliebe anderen gegenüber funktionieren. Deshalb ist es so wichtig, etwas dafür zu tun. Und das kann man!

Das Erste und Wichtigste ist etwas, das ganz grundsätzlich gilt: Der andere ist immer anders als ich. Natürlich auch der Nachbar. Er empfindet mich genauso. Sobald ich beginne, mich über den anderen zu ärgern, weil er anders ist, nicht das tut, was ich erwarte oder für richtig halte, ist es vorbei mit dem Frieden. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, anderen gegenüber eine gewisse Gleich-Gültigkeit an den Tag zu legen. Nicht desinteressiert zu sein, das wäre falsch, aber mich damit zurückzuhalten, alles zu bewerten. Ich versuche dem anderen seine Eigenheiten zuzugestehen, so gut es geht.

Das geht nicht immer, und es hat Grenzen. Es ist besonders wichtig unter Nachbarn zu klären, wie man Probleme anspricht und aus dem Weg räumt. Wenn die Party der Nachbarstochter zu laut ist, dann muss ich das ansprechen, bevor ich mich ärgere. Und ich muss vorher geklärt haben, ob ich das darf, ob es in Ordnung ist und nicht in den falschen Hals kommt. Wo ich wohne, machen wir das so. Wir sprechen auch lieber ein Wort zu viel miteinander. So haben wir uns im Laufe der Zeit besser verstehen gelernt.

Noch ein Letztes. Ich glaube, es ist wichtig in die Nachbarschaft etwas zu investieren. Gelegenheiten zu schaffen, wo man sich begegnet, auch hin und wieder eine Einladung auszusprechen. Und manchmal genügt auch eine kleine Geste: ein Stück Kuchen, sich zuzuwinken von Fenster zu Fenster.

Es ist gut, mit denen gut zu sein, die um einen sind. Das macht das Leben um so vieles leichter und schöner.

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