Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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01MAI2021
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Heute ist der Tag der Arbeit. Am 1. Mai treten Arbeiterinnen und Arbeiter auf der ganzen Welt für ihre Rechte ein: etwa für bessere Arbeitsbedingungen oder eine gerechte Entlohnung. Normalerweise organisieren die Gewerkschaften am 1. Mai große Demos und Kundgebungen. In diesem Jahr spielt sich der Tag der Arbeit wegen der Corona-Pandemie aber vor allem im Internet ab.

Seinen Ursprung hat der Tag der Arbeit in den USA. Am 1. Mai 1886 sind dort vor allem in Chicago Arbeiter auf die Straße gegangen und haben protestiert. Ihre wichtigste Forderung war der Acht-Stunden-Tag. Üblich war damals, dass in den Fabriken zwölf Stunden am Tag gearbeitet wurde, sechs Tage die Woche, oft unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Von Amerika aus hat sich 1. Mai dann als Tag Arbeit auf der ganzen Welt durchgesetzt.

Die Kirche konnte mit der Arbeiterbewegung zuerst nicht viel anfangen. Sozialismus, Kommunismus, Marxismus – das alles war der Kirche nicht geheuer. Weil diese Gruppen das althergebrachte Oben und Unten in Frage stellten und weil ihre Gründer - Marx und Engels - erklärte Atheisten waren.

Aber es gab Ausnahmen. Eine davon war der württembergische Pfarrer Christoph Blumhardt. Er hat die Not der einfachen Arbeiter gesehen, die damals unter schlechten Bedingungen in den Fabriken gearbeitet haben. Das fand er unerträglich. Als das Streikrecht der Arbeiter per Gesetz eingeschränkt werden sollte, ist Christoph Blumhardt 1899 in die SPD eingetreten. Als Abgeordneter  im Württembergischen Landtag hat er sich für die Rechte der Arbeiter eingesetzt.

Die Sozialdemokratie galt damals als atheistische Bewegung. Dass ein Pfarrer ihr angehört, war ein Skandal. Es hagelte Kritik von der Kirchenleitung. Schließlich musste Blumhardt aus dem Pfarrdienst der evangelischen Kirche ausscheiden. Dabei hat sich Blumhardt für die Arbeiterbewegung eingesetzt, gerade wegen Jesus und seiner Botschaft. Er wollte mithelfen, dass das Reich Gottes, in dem es Gerechtigkeit für alle Menschen gibt, Wirklichkeit wird. Nicht erst im Himmel, sondern jetzt in der Welt. Für Blumhardt waren Linkssein und Christsein keine Gegensätze. „Jesus war Sozialist“ und „Die Apostel waren Proletarier“, hat er gesagt.

Kurz vor seinem Tod im August 1919 hat Blumhardt noch erlebt, wie der 1. Mai in Deutschland zum ersten Mal ein gesetzlicher Feiertag wurde. Ich glaube, bei den heutigen Veranstaltungen im Netz wäre Christoph Blumhardt – der mit seinem wallenden weißen Bart ein bisschen ausgesehen hat wie Karl Marx – bestimmt dabei.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33042
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