SWR2 Wort zum Tag

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Wer lebt, stört! So las ich kürzlich zum Thema Klimawandel. Es ging um die Frage: Wer ist für den befürchteten Klimawandel verantwortlich zu machen? Sicher nicht nur die Autos im Straßenverkehr. Sicher nicht nur unser Energie- und Strom-verbrauch.
Genau genommen, so stand zu lesen, trägt jeder Atemzug unweigerlich dazu bei, die weltweite CO2-Bilanz ansteigen zu lassen. Kein erfreulicher Gedanke, wenn alles Leben zugleich mit dieser Belastung verbunden ist. Wenn wer lebt, automa-tisch stört. Kein schöner Gedanke, aber wohl ein realistischer!
Albert Schweizer, der große Mediziner, Theologe und Ethiker hat das gewusst. Ihm war klar, dass es im Blick darauf, wie wir leben, keine Politik der weißen Weste geben kann. Weil Leben immer auf Kosten anderer geht.
„Ich bin Leben inmitten von Leben, das leben will“, hat Albert Schweitzer darum formuliert. Und der Evolutionsbiologie insofern Recht gegeben. Leben ist ein biolo-gischer Konkurrenzkampf, gnadenlos, weil er immer auf Kosten anderen Lebens geht.
Als Christ und ethisch denkender Mensch ging Albert Schweizer aber über die Evo-lutionsbiologie hinaus. Er wusste, dass biblischer Glaube aus der Tatsache des Konkurrenzkampfes andere Schlüsse zieht. Nicht: Wer lebt, stört. Sondern: Du bist willkommen im großen Orchester aller Geschöpfe. Das behauptet der Glaube.
Christlicher Glaube stellt das miteinander und ineinander verwobene Leben in einen anderen Kontext. Er gibt dem Menschen Regeln dafür, wie er sein Leben nicht in Konkurrenz, sondern in Gemeinschaft mit anderen einrichten kann: den Nächsten lieben wie sich selbst. Und er endet mit einem Versprechen: dass du am Ende in das Geheimnis zurückkehrst, aus dem du gekommen bist.
Wer lebt, stört nicht! Das Leben ist nicht zwangsläufig der Kampf aller gegen alle. Denn es geht auch anders. Aus dem Wissen heraus, dass mein Leben kostbar ist, ergibt sich als Konsequenz, dass auch das Leben anderer kostbar ist. Auch in dem Sinn kostbar, dass mich Gemeinschaft mit anderen auch immer etwas an Ein-schränkungen kostet, an Empathie und Sensibilität für die Bedürfnisse anderer. Aber dadurch wird es auch reicher und erfüllter.
Sich selbst zurücknehmen, wo es möglich ist. Es genug sein lassen. Raum geben für das, was andere brauchen. Das trägt zum Klimawandel bei – im Kleinen wie im Großen.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3304
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