SWR2 Wort zum Tag

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22APR2021
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„Ich bin so mütend!...“, hat unlängst jemand zu mir gesagt. Mir ist diese neue Wortschöpfung gleich mehrfach begegnet.

»Ich bin mütend!« - ein Mischwort aus müde und wütend. Es breitet sich aus wie ein Virus. Und genau damit hat es zu tun. Es steht für die Erschöpfung und den Ärger mit dem Covid 19 Virus und allem, was damit zusammenhängt.“Mütend“ ist ein Grundbefinden von so vielen. Jetzt, da nun schon mehr als ein Jahr die Pandemie unser Leben beherrscht und durchdringt.

Als es Mitte März vergangenen Jahres losging, hätte ich nie gedacht, dass so tiefe Einschnitte in unser Alltagsleben gestaltbar und durchsetzbar sind. Etliche sind darüber „mütend“ geworden – mit verschiedenen Reaktionen:

Die einen schlagen mittlerweile bewusst über die Stränge und ignorieren, was zum Schutz vor Corona dient. Andere resignieren und ziehen sich „mütend“ zurück, erschöpft, mit einem inneren Groll, weil »die Anderen« – allen voran »die Politiker«, ihnen noch nicht das normale Leben wiedergegeben haben.

»Ich bin so mütend!« Das kenne ich auch von mir. Und ich spüre: Das ist eine gefährliche Mischung – Wut und Apathie können ihre Früchte sein. Gibt es Gegenkräfte?

X-mal heißt es im Neuen Testament so und so ähnlich: „Seid nüchtern und wacht! Also: Schlagt nicht über die Stränge – und steckt nicht den Kopf in den Sand - und verfallt auch nicht dem Zorn. Dran bleiben am Leben. Auch wenn es beschwerlich ist - mit Geduld und Besonnenheit.

Sind das nur fromme Durchhalteparolen? Christen bezeugen die große Hoffnung: „Christus ist auferstanden!“ Hölle, Tod und Teufel haben nicht das letzte Wort über unser Leben und diese Welt. Und doch ist auch nach Jesu Auferstehung die Welt, in der wir leben, nicht ohne Gewalt und Streit – nicht ohne Krankheit und Tod.

In der Bibel stehen hinter dem „Seid nüchtern und wachsam!“ tiefe Erschütterungen und Bedrohungen und Enttäuschungen. Darum die Aufforderung: Gebt diese Hoffnung nicht preis – um euretwillen – um der Welt willen!

Gerade in schweren Zeiten gilt es, nicht »mütend« auszusteigen, sondern Hoffnungszeichen zu sehen und zu bestärken  - mit Geduld und Besonnenheit. Meine 97-jährige Mutter betont immer wieder: „Junge, wir leben immer noch wie im Paradies. Es gibt zu Essen und zu Trinken, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und Ärzte.“

Und noch ´was gibt es hoffentlich bald ausreichend für alle: Impfstoffe, die immer mehr Menschen vor Covid schützen werden. Wenn wir mal „mütend“ sind, dann doch wieder aufstehen. Ein neuer Tag beginnt – in den wir wach und nicht ohne Hoffnung gehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33033
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