SWR3 Gedanken

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30APR2021
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Willi war nicht gewollt. Seine Mutter hat ihn schon als Baby komplett vernachlässigt, an Leib und Seele. Das ist was vom Schlimmsten das einem Menschen passieren kann und hat auch meistens schlimmste Konsequenzen. Bei Willi die, dass er schon als Kind gewalttätig ist. Und zwar so extrem, dass er in ein Kinderheim muss. Von da an geht es geradewegs in den Jugend- und dann in den Erwachsenenknast. Wegen Diebstahl, Einbruch, Banküberfall, vor allem aber wegen schweren Körperverletzungen und Totschlag. Wegen seiner extremen Brutalität wird er „Blutbad-Willi“ genannt und ist gefürchtet, auch im Knast. Tabak ist dort ein Zahlungsmittel, leicht zu bekommen, aber die Blättchen, mit denen die Zigaretten gedreht werden, sind Mangelware. Dafür nimmt er die hauchdünnen Seiten einer Bibel, die man ihm gegeben hat. Und bevor er eine Seite rausreißt, liest er sie. Die Worte wirken nach. Irgendwann kommt die Stunde, die sein Leben verändert. Er macht einen Vertrag mit sich selbst: er will auch gut sein. Und das gelingt ihm, schon im Knast. Als er entlassen wird, sucht er all die Menschen auf denen er Böses angetan hat und bittet sie um Vergebung. Und alle vergeben ihm. Blutbad-Willi wird zu Wilhelm, heute 67 Jahre alt, glücklich verheiratet, zwei Söhne. In seiner Familie hat er erfahren, dass er gewollt ist. Und wenn er heute die Bibel liest, dann setzt er an manchen Stellen seinen Namen ein. Zum Beispiel im berühmten Psalm 23: „Der Herr ist Wilhelms Hirte. Er führt Wilhelm auf der rechten Straße, auch wenn Wilhelm schon wanderte im finstersten Tal…“

Quelle: Stuttgarter Zeitung, Nr. 52, Donnerstag, 4. März 2021,Seite 24, „Blutbad-Willi – Wie der Totschläger, Bankräuber, Dieb und Einbrecher Wilhelm Buntz zu seiner Lebenswende gefunden hat. Reportage von Robin Szuttor.
Mit Dank an Horst Ott, der mir diesen Artikel zukommen ließ.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33019
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