SWR1 Begegnungen

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18APR2021
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Fabian Vogt Copyright: EKHN / Bonnard

Wolf-Dieter Steinmann, trifft Pfarrer Dr. Fabian Vogt. Pfarrer, Autor und Projektleiter des „Luthermoments“ 2021 in Worms.

 1521 - 2021

Es gibt Momente im Leben, da kommt es drauf an, einzustehen, für das was wichtig ist. Sich nicht zu verstecken. „Luthermomente“ nennt Fabian Vogt sie. Als Projektleiter der Kirche hat er die Erinnerungsfeiern an den „Luthermoment“ in Worms heute vor 500 Jahren gemanagt. Luther sollte widerrufen. Seine Kritik an Kirche und Staat verstummen lassen. Aber: er ist sich treu geblieben, seinem Gewissen, der Bibel und der Vernunft.

Und das ist auch noch mal neu die Geburtsstunde der Idee: Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung. Und damit wirklich ein großer Moment der Zivilcourage und der Haltung.

In der Nacht zuvor muss was passiert sein. Gestern, am 17. war Luther noch geschockt von der geballten Macht. Er wollte diskutieren. Sie ihn ruhigstellen.

Am nächsten Tag ist er auf einmal selbstbewusst. Ich glaube, irgendwie hat ein Perspektivwechsel für ihn stattgefunden: ‚Nein, ich will mutig sein.‘ Ich glaube, Luther hatte Grund zur Angst und gleichzeitig Grund zur Hoffnung und er hat sich für die Hoffnung entschieden.

Wie kann man sich entscheiden? Fabian Vogt geht davon aus, Luther hat seine Freiheit aus dem Glauben gezogen. Und er wollte die schlimmen Missstände einfach nicht mehr hinnehmen.

Aufzustehen, wenn ich merke, es läuft etwas im Gesamtsystem Gesellschaft schief. Für Luther war das klar, die Botschaft von der Liebe Gottes ist eine befreiende wunderbare schöne Botschaft. Und die Strukturen und Traditionen der Kirche haben ganz viel davon verdunkelt.

Optimismus: ‚Na, es wird schon gut gehen.‘ Der reicht in so einer gefährlichen Herausforderung nicht. Man muss sich an etwas fest machen können. Weil man nicht weiß, ob es gut ausgeht.

‚Ich weiß, von meinem Gott bin ich geliebt und das gibt mir die Kraft.‘ Heute wünsche ich mir, dass viele Christinnen und Christen diese Erfahrung machen, auch zu sagen: „Ich lass mich von der Welt nicht so leicht beunruhigen, weil ich da einen inneren Halt hab.

Fabian Vogt feiert den Luthermoment damals, weil es ihm um heute geht. Er wünscht sich mehr Christenmenschen, die liberal und fromm gleichzeitig sind.

Ich finde, dass wir oft dazu neigen, zu gucken, mögen uns alle? Für Luther, alles was er tut, kommt aus seinem Glauben heraus. Und wenn Kirche sich zu gesellschaftlichen Herausforderungen äußert – was alles wichtig und alles gut ist – möchte ich gern, dass sie deutlich macht, warum ihre Meinung aus einer Glaubensperspektive kommt.

Ich sage darum als Christ zu Klimaschutz lieber „Verantwortung vor Gott für die Schöpfung“. Das ist für mich umfassender. Oder Fabian Vogt erinnert sich, was ein Verantwortlicher vom Radio von ihm erwartet hat.

Sagt der damalige Wellenchef zu mir – gar nicht kirchlich sozialisiert: „Wenn wir Ihnen schon unsere wertvolle Sendezeit zur Verfügung stellen müssen, habe ich nur eine Bitte an Sie: reden Sie von Gott.“

Wenn man von Gott redet, geht es ums Ganze, um Leben, Liebe, Gerechtigkeit und die eigene Meinung ins Gespräch zu bringen mit anderen. Fabian Vogt würde es auch gefallen, wenn so ein Luther am Familientisch sitzen würde.

So ein guter Opa Luther wäre da toll: „Sei mutig, weil Du Dich getragen weißt, und das b) „lebe Dein Leben selbst, lass das Leben nicht von irgendjemand leben. Du brauchst ein Wertesystem, auf dem Du lebst, aber Du bist Dir selbst und Deinem Gott gegenüber verantwortlich.

„Luthermomente“ gibt es auch heute, findet Fabian Vogt.

Mein, dein „Luthermoment“

Heute vor 500 Jahren war Worms der Nabel der Welt. Martin Luther stand vor dem Kaiser. Er sollte widerrufen. Hat er nicht. Ein wagemutiger „Luthermoment“. Fabian Vogt ist Pfarrer, Autor und Projektleiter für die Feiern zum Luthermoment. Manches hat Corona „verhagelt“. Trotzdem: Auch die kreativen medialen Formen miteinander zu feiern bergen für ihn kostbare Momente:

Wir haben z.B. so ne social media Aktion gemacht, wo wir Leute eingeladen haben: „Erzählt doch mal, was sind denn für Euch so Momente, in denen ihr gemerkt habt: ‚Jetzt kommts darauf an.‘“ Toll, wenn dann ein Kind zurückschreibt: ‚In meiner Klasse ist jemand gemobbt worden und da habe ich gesagt: Jetzt sag ich mal was, ich guck nicht weg.‘

Darum ist für ihn auch die entscheidende Frage, die er sich und mir und vielleicht auch Ihnen stellt:

Was ist mein Luthermoment heute, was ist Dein Luthermoment? Wo können wir selber was dazu beitragen, dass Fehlentwicklungen in der Gesellschaft behoben werden?

Luther-Moment, sagt er bewusst. Es geht nicht um die Person. Der hatte viele Schattenseiten. Hat die Bauern hängen lassen, Juden verteufelt. Gut, dass wir Kirchen das klar bekennen und revidieren. Es ist darum kein Zufall, wenn Fabian Vogt an Oskar Schindler erinnert, der im Zweiten Weltkrieg Juden gerettet hat.

Es gibt diesen wunderbaren Satz, den Oscar Schindler von den Juden, die er gerettet hat, gesagt bekommen hat: „Wer nur ein Menschenleben rettet, der rettet die ganze Welt.“
Und man rettet Menschen auch nicht nur, indem man sie sozusagen vor dem Tod bewahrt, sondern vielleicht auch vor Traurigkeit, vor Angst, vor Unentschlossenheit, vor Kleinmut.

Wir leben in einer Nachheldenzeit. Viele, die man zu Helden machen will, strahlen nicht lupenrein. Aber das kann sie mir vielleicht sogar näherbringen und mich selbst herausfordern.

Mir geht’s darum zu sagen, ich feiere einen Moment, in dem ein Mensch etwas vorgeführt hat, von dem ich denke, da ich kann heute was lernen.

Drei Grundsätze findet Fabian Vogt deshalb immer neu beherzigenswert und zum Umsetzen.

Wenn ich erkenne, bestimmte Werte sind richtig, dann kann es sein, dass es manchmal wichtiger ist für diese Werte einzustehen, als an die eigene Sicherheit zu denken.

Und wenn ich Unrecht entdecke, dann nicht wegzuschauen, sondern zu benennen. Zu sagen: ‚sorry, ich geh dazwischen.‘ Bei Luther war auch immer im Vordergrund, nicht nur zu sagen: ‚Ich bin dagegen, ich mach auch was.“

Ich habe manchmal das Problem, dass mir die Widerstände oder die Gegenüber zu groß vorkommen und mich einschüchtern. Fabian Vogt findet, da kann auch Theresa von Avila Mumm geben. Eine toughe Christin, Zeitgenossin von Luther. Die hat mal gesagt:

 „Gott und ich, wir beiden sind immer die Mehrheit.“ Ich glaube, dass das Luther auch irgendwie geholfen hat. Das Wissen, ich habe einen noch höheren Herrscher auf meiner Seite: Möglicherweise wird er mir nicht helfen, wenn ich jetzt hier irdisch angegangen werde. Aber das, wofür er steht, ist so viel größer, dass dann diese Menschen, die vor mir sind, doch einfach nur Menschen sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33001
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