SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Manchmal erschrecke ich über die Tonlage, in der über unsere älter werdende Gesellschaft debattiert wird. „Immer weniger Junge müssen für immer mehr Alte sorgen“, „Die Alten prassen, die Jungen darben.“, heißt es da in Schlagzeilen. Es kann keinen Zweifel mehr geben: Wenn wir – Gott sei Dank - immer älter werden dürfen, zugleich die Geburtenrate aber weiter sinkt, muss dies unsere Gesellschaft geradezu auf den Kopf stellen.
Katastrophenstimmung aber wird uns bei dieser Herkulesaufgabe nur lähmen. Dabei könnte schon ein Blick zurück die Debatte etwas abkühlen! Denn auch in früheren Gesellschaften war das Verhältnis zwischen den Generationen alles andere als spannungsfrei!
Wie sonst ließe sich das große Gewicht des Generationenkonfliktes in den zehn Geboten erklären: „Ehre deinen Vater und deine Mutter; damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.“
Sicherlich geht es in diesem Gebot nicht einfach um Kinder, die sich artig und gehorsam gegenüber ihren Eltern verhalten - so stand es in Beichtspiegeln und mussten es Generationen aus dem Katechismus lernen. Das Gebot richtet sich ursprünglich an die erwachsenen Kinder. Sie sollen für ihre alten und hilflosen Eltern sorgen, denn in einer Nomaden - Gesellschaft waren diese nicht abgesichert.
Im Buch Jesus Sirach finden wir einen Text, der das Elterngebot erläutert. Für uns besitzt er eine überraschend aktuelle Botschaft. Da heißt es: „Ehre deinen Vater von ganzem Herzen, vergiss niemals die Schmerzen deiner Mutter! Denk daran, dass sie dir das Leben gaben. Wie kannst du ihnen vergelten, was sie für dich taten?“(Sir 7,27)
Der also, der die Eltern ehrt, erkennt und anerkennt, dass jeder Mensch im Strom des Lebens steht, dass er sich selbst anderen verdankt, nicht aus sich selbst heraus existieren kann. Keine Generation steht für sich allein.

Die Theologin Dorothee Sölle hat das Elterngebot einmal so umschrieben: Du sollst nicht von dir denken, du wärest ganz allein, du hättest nur für dich Verantwortung. Du sollst den Vertag, der deine Kindheit behütet hat, nicht brechen an den Hilflosen, du sollst Zeit für sie haben und Ohren für das, was sie vielleicht nicht mehr sagen können. Du sollst niemanden abschieben, du sollst leben inmitten von anderem Leben, das lebt wie du und das stirbt wie du.“

Wenn so die Generationen sich wieder neu ihrer Verantwortung füreinander bewusst werden, muss auch eine alternde Gesellschaft nicht in der sozialen Katastrophe enden. https://www.kirche-im-swr.de/?m=330
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