SWR3 Gedanken

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24APR2021
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Meine Freundin Cathérine lebt in der Bretagne. So oft es geht, besuche ich sie dort. Dann packt sie mich in ihren klapprigen Renault und wir fahren an die Küste. Barfuß am Strand! Herrlich! Und danach in einem kleinen Restaurant im Hafen Muscheln essen. Die gibt’s dort in allen Größen und Farben! Lecker! Muscheln gehören nämlich zu den sogenannten Weichtieren. Das kann man kaum glauben, wenn man beim Barfußlaufen am Strand mal in eine scharfkantige Muschel getreten ist. Aber von diesen Weichtieren bin ich im Restaurant richtig begeistert!
Menschen sind manchmal wie Muscheln. Mal hart, mal weich.

Es kommt immer darauf an, wann und wo man ihnen begegnet. Je nachdem muss man seine Einschätzung und Bewertung von ihnen ändern. Cathérine zum Beispiel. Ich habe sie kennengelernt und dachte: Oh je, ganz schön hart, die Frau. Eine besserwisserische Beamtenjuristin! Und dann hat sie mir ein Stück Grapefruit angeboten und mir von ihren Pferden erzählt – und seither sind wir Freundinnen. Und ich habe gelernt: manchmal schätze ich Menschen völlig falsch ein.

Es gibt diese Miesmuschelmenschen, die ganz köstlich sind, wenn sie sich mal öffnen.
Dann denkste, was hat der für eine raue Schale, kriegt alles gut hin, ist taff, cool, und dann erfährst du, wie er sich zuhause um seinem kranken Vater kümmert. Was für ein weicher Kern in einer rauen Schale!

Manchmal frage ich mich, wie die Leute mich sehen, wie sie mich wahrnehmen. Eher verschlossen, eher offen? Unzugänglich oder doch genießbar?
Ich bin davon überzeugt, dass in jedem Menschen eine Perle steckt, wie in einer Muschel, ein kostbarer, liebenswerter Mensch – und es lohnt sich, danach zu suchen!

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