SWR4 Abendgedanken

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13APR2021
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Für Muslime beginnt heute der Ramadan, der Fastenmonat. Ich habe den Ramadan vor Jahren in Istanbul erlebt und bin immer noch beeindruckt davon. Tagsüber fasten die Leute dort radikal, kein Essen, nicht mal Trinken ist erlaubt. Erst wenn der Muezzin beim Sonnenuntergang zum Gebet ruft, wird das Fasten gebrochen.

Ich war an so einem Abend mit Freunden im Restaurant beim Abendessen. Alle Tische um uns herum waren voll besetzt. Wir haben unser Essen bestellt und sofort angefangen zu essen; bis wir gemerkt haben, dass wir die einzigen sind. Die anderen Gäste haben alle noch darauf gewartet, dass der Muezzin ruft und damit den Startschuss zum Abendessen gibt. Es war mir dann sogar peinlich. Ich habe den Tag über schon nicht gefastet und esse abends im Restaurant mit den Freunden wieder als erstes. Und alle um uns herum warten hungrig. Aber keiner hat uns böse angeschaut. Es war vermutlich allen klar, dass wir Christen sind und uns nicht ans Fasten halten müssen.

Als wir nach dem Essen an den großen Moscheen der Stadt vorbei nach Hause gelaufen sind, war dort noch alles voller Leben. Unsere Reiseführer haben uns erzählt, dass es im Fastenmonat vor allen Moscheen solche Festzelte gibt. Sie sind für die Obdachlosen und Armen, die sich das Festmahl zum Fastenbrechen nicht leisten können. In jeder Gemeinde gibt es aber Leute, die mit ihren Spenden helfen, dass die Armen jeden Abend eingeladen werden können.

Mir ist da klar geworden, dass diese Fastenzeit im Islam etwas ganz Anderes ist als das christliche Fasten. Bei uns fastet man in der Vorbereitung auf Ostern, jeder für sich. Im Islam hat das Fasten eine zusätzliche Bedeutung, die mir sehr gefällt. Am Abend wird aus dem Fasten des Einzelnen etwas Soziales. Man feiert das Fastenbrechen mit der Familie, mit Freunden, aber auch in der Gemeinde. Und die Ärmsten werden eingeladen. Und ein paar Mal haben Leute auch uns Andersgläubige dazu eingeladen. Sie zeigen so, dass der Ramadan eine Zeit ist, in der für alle gilt, dass Gott sich ihnen voller Wohlwollen zuwendet.

Bei uns Christen hat das Fasten einen anderen Schwerpunkt. Aber irgendwie ist mir der Gedanke gar nicht fremd: Wir brechen in diesen Ostertagen auch unser Fasten, weil wir feiern, dass Jesus mit seiner Auferstehung die Macht des Todes gebrochen hat. Was wir dabei vielleicht vom Islam lernen könnten, wäre, dass wir diesen Durchbruch so feiern, dass alle mitfeiern lassen. Auch die, die es sich nicht leisten können und die, die eine andere Religion haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32905
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