SWR1 Begegnungen

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05APR2021
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Dr. Thorsten Latzel ekir.de/Dominik Asbach

Janine Knoop-Bauer trifft Dr. Thorsten Latzel, Präses der evangelischen Kirche im Rheinland

Hoffnung ist nicht naiv

Seit zwei Wochen ist er offiziell der leitende Geistliche, genannt: Präses der evangelischen Kirche im Rheinland. Über 2 Millionen Mitglieder gehören dazu. Eine große Aufgabe. Thorsten Latzel steht am Anfang. Aber da steht er gerne.

Es ist ja ganz interessant, dass die Bibel mit den Worten anfängt: „am Anfang“. Gott ist eigentlich ein Anfänger. Jemand, der einen neuen Anfang setzt, immer wieder im Leben von uns, von uns Menschen. (…) Unser Leben ist wunderschön und manchmal schwierig. Und es ist endlich. Alle Dinge in meinem Leben haben ihre eigene Zeit. Und es ist Teil meines Glaubens, dass ich das Zeitliche segnen kann, also Sachen ihre eigene Zeit lassen kann und mich wieder auf Neues einlassen.

Ein Neubeginn ist auch Ostern. An Ostern feiern wir, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Neues Leben entsteht gegen alle Wahrscheinlichkeit. Torsten Latzel versteht das so:

Auferstehung heißt, dass Gott sich an die Seite dieses Menschen Jesus von Nazareth stellt, der Liebe lebte, mit Sündern aß, Kinder segnete, Kranke heilte und für diesen Einsatz, für eine unbedingte Liebe und Annahme des anderen starb. (…) Und in dem Moment, als er am Kreuz stirbt mit dem Schrei der Gottverlassenheit: „mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ genau da ist Gott gegenwärtig gewesen. Und das ist der Grund unserer Hoffnung, dass wir auch in Momenten, in denen wir von Gottesliebe oder Gegenwart oft nicht spüren können, trotzdem die Hoffnung haben, dass Gott bei uns ist.

Viele sind in diesen Tagen erschöpft. Jetzt an Ostern spüre ich besonders: Mir fehlen andere Menschen – mir fehlt Kontakt und unbeschwertes Zusammensein. Für Thorsten Latzel ist das genau die Situation von Ostern. Da passiert etwas mit den Menschen, die selbst nicht mehr mit dem Guten rechnen:

Hoffnung ist da etwas Anderes als Optimismus. Hoffnung ist nicht naiv und sagt einfach es wird schon alles besser werden oder gut werden, sondern Hoffnung hält an einer anderen Perspektive, auf unsere Wirklichkeit fest, auch wenn wir die selber manchmal gar nicht wahrnehmen, begründen oder herleiten können.

Ich verstehe: Manche Dinge kann man sich nicht selber sagen. Da muss jemand von außen kommen - mit den richtigen Worten zur rechten Zeit. Und genau das ist eine Aufgabe der Kirche. Dafür will er als Präses der evangelischen Kirche im Rheinland einstehen: Für eine Kirche, die auf die Menschen zugeht. Natürlich kann er das nicht alleine.

Es braucht (…) die Menschen, die sagen ja, ich kümmere mich nicht nur um mich selbst, sondern mir ist es nicht egal, wie es anderen Menschen geht, und bringe mich der ein und denke über den Horizont, den Tellerrand meines eigenen Lebens hinaus.

Eine Kirche die hört und zu den Menschen geht

Thorsten Latzel ist Theologe und vertritt als Präses der evangelischen Kirche im Rheinland über 2 Millionen Gläubige. Als ehemaliger Leiter der evangelischen Akademie in Frankfurt ist er mit den aktuellen gesellschaftlichen Fragen vertraut. Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist, habe ich gelernt. Wie kann Kirche für die Menschen heute da sein? Was brauchen sie von der Kirche?

 (…)Also man verhält sich ja nicht zu der Kirche, sondern dazu, wie der letzte Gottesdienst gewesen ist oder (…) wie der Konfirmandenunterricht gewesen ist und da sorgsam zu pflegen,den Kontakt zu jeder einzelnen Person neu danach befragen: Wie können wir als Institution sie in ihrem Leben stärken, dass sie fröhlich getrost leben können? Dass sie Halt haben in den schönen wie schwierigen Zeiten ihres Lebens, dass sie ihren Glauben leben können? Was können wir als Institution dazu beitragen?

Kirche ist also zuerst eine hörende Kirche, eine, die auf die Menschen zugeht und nicht wartet, dass die Menschen kommen. So verstehe ich Thorsten Latzel. Daraus ergibt sich ein sehr klarer Auftrag der Kirche. Und Werte, wie wir in unserer Gesellschaft miteinander leben.
Es ist wichtig, dass wir in dem anderen immer Christus und damit Gott begegnen. (…) Das hat politische Folgen an vielen Stellen, dass wir wirklich sagen konkret: wie gestalten wir unsere Gesellschaft nach Corona, dass wir die Lasten fair aufteilen, dass wir dafür sorgen, dass die Schere von Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht, dass wir mit unserer Schöpfung, die uns anvertraut ist, so umgehen, dass wir selber nicht Herren dieser Schöpfung sind, sondern wirklich verantwortlich. Wir sind Gast auf einen schönen Stern, wie Thielecke ein Theologe, einmal gesagt hat.

Ich stelle es mir nicht leicht vor, eine so große Institution wie die Kirche mit all ihren bürokratischen Prozessen in diesem Sinne zu gestalten. Aber Thorsten Latzel hofft darauf, dass junge Menschen sich einbringen, dass so eine Art Graswurzelbewegung entsteht in den Städten und Kommunen. Und dieser Bewegung bieten die Kirchen Raum und Rückhalt. Das ist für Thorsten Latzel kein einfacher Weg. Aber einer, den er gerne und zuversichtlich geht.

Was mir persönlich Hoffnung gibt, ist der Glaube, dass Gott mein Leben hält und ich viele Punkte in meinem Leben wirklich in seine Hand geben kann. Beten ist da für mich eine wirklich gute Auszeit, um den Blick zu weiten, (…) Ruhe zu finden, gerade wenn viel los ist und das gibt mir eine Freiheit immer wieder anders mit mir selbst und meinen Fehlern meinen Grenzen umgehen zu können. (…) Es gibt dieses Lied von Paul Gerhardt: „Der Wolken, Luft und Winden gibt, Weg gelaufen und Bahn David auch Wege finden, da mein Fuß gehen kann.“ Da sind die Alten wirklich weise gewesen im Umgang mit dem eigenen Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32903
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