SWR3 Gedanken

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02APR2021
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Wo ist Gott am Karfreitag 2021? Eine Frage, die mich gerade umtreibt. Ich kann darauf keine einfache Antwort finden. Aber ich denke an ein Gespräch zurück, das ich vor einigen Jahren mit Margot Käßmann, der ehemaligen Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, hatte. Ich habe sie damals gefragt: Wo ist Gott am Karfreitag? Und sie sagte: bei den Menschen in Syrien, im Jemen, an den Sterbebetten in Deutschland.* Ich glaube auch heute ist Gott genau da. Und mir fallen noch weitere Menschen ein, von denen ich glaube, dass Gott ganz besonders bei Ihnen ist:

 Ich glaube der einsame Jesus am Kreuz, an den Christen heute weltweit erinnern, ist bei denen, die einsam in ihrer Wohnung sitzen, denen die Decke auf den Kopf fällt. Der geschlagene und misshandelte Jesus ist bei den Opfern von sexuellem Missbrauch, der viel zu oft auch von Mitarbeitern der Kirche verübt und vertuscht wurde. Und der von oben herab behandelte und verachtete Jesus ist bei denen, die es als Schlag ins Gesicht empfinden, dass die Glaubenskongregation in Rom sagt: Kein Segen für gleichgeschlechtliche Paare, die sich lieben.  Ich – und sehr viele Seelsorgerinnen und Seelsorger meiner katholischen Kirche – glauben an einen Gott der Segen hat für jedes seiner Geschöpfe, völlig unabhängig von der sexuellen Orientierung.

Und deshalb glaube ich nicht an einen Gott, der will dass wir leiden. Zu dem ich aber ganz anders  beten kann, weil ich weiß: Leid, Schmerz, Verrat – das alles hat  Gott erlebt, am Karfreitag. Und ich glaube mein Gott durchlebt es heute wieder – mit so vielen Menschen, die er in ihrem Leid nicht alleine lässt.

 

*vgl.  https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&id=28493

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32889
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