SWR3 Gedanken

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31MRZ2021
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Geschäftemacherei im Vorhof des Tempels, das geht für Jesus gar nicht. Er ist stinksauer und räumt auf, stößt die Tische der Händler und Geldwechsler um, die im Tempelbezirk Geschäfte machen wollen. So berichtet es die Bibel aus der letzten Woche im Leben von Jesus Christus.

Der aktuelle Passionsfilm „Das neue Evangelium“ von Milo Rau zeigt die Szene so: Jesus ist ein aus Kamerun stammender Erntehelfer, der im Süden Italiens beim Tomaten pflücken ausgebeutet wird. Wie ein Sklave. Und deshalb randaliert er im Film in einem Supermarkt. Schmeißt die Regale um, in denen genau diese Tomaten zu Dumpingpreisen lagern. Sie kullern auf den Boden und er zertrampelt sie in seiner Wut über den Geiz und die Gier von Menschen, die andere unterdrücken.

Jesus wird in dem Film von Yvan Sagnet gespielt. Der ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Aktivist, ausgezeichnet mit dem Verdienstorden der italienischen Republik. Weil er voranging beim allerersten Streik, den Feldarbeiter mit Migrationshintergrund in Italien organisierten. Für bessere Arbeitsbedingungen. Und er ist gläubiger Christ, der das Evangelium ernst nimmt – nicht als Historiendrama, sondern als Botschaft für uns heute. Er sagt: „ Das Drehen war auch eine politische Aktion, ein Protest gegen das Wirtschaftssystem, das Ungleichheit zwischen Menschen und Völkern schafft. Für Gott gibt es keine Einwanderer, keine Menschen ohne Papiere, keine Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder eines Passes.“ [...] „Gott liebt. Er ist meine Inspiration. Gott belebt das Gute in mir.“*

Ich glaube: Das Gute sorgt dann dafür, dass Menschen nicht gleichgültig wegschauen, wenn Geiz und Gier über die Würde von Menschen gestellt werden.  Sondern dass sie darüber stinksauer werden und sich dafür einsetzen, dass alle Menschen gut leben können.

*Aus: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nummer 49, 4.12.2020, Yvan Sagnet im Interview (digitale Ausgabe ohne Seitenzahl).

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32887
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