SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

30MRZ2021
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

6 Jahre ist Charlotte alt. Sie versteht nicht, warum beim Kaufhaus Uhlfelder in München die Scheiben eingeschlagen sind. Und warum die Synagoge, gegenüber ihrer Schule voller Rauch steht. Sie muss weinen. Der Vater zieht sie weg, denn die anderen Menschen die dort auf der Straße stehen, sagen nichts. Charlotte aber sagt einen einzigen Satz, hat eine einzige Frage: „Wieso kommt denn eigentlich die Feuerwehr nicht?“*

Als mir Charlotte Knobloch diese Szene aus ihrer Kindheit am Tag nach der Reichspogromnacht schildert, bin ich sprachlos. „Wieso kommt denn eigentlich die Feuerwehr nicht?“ Und wieso sagt niemand was, als Synagoge und Geschäfte jüdischer Menschen in Flammen stehen.

2021 feiern wir  1700 Jahre jüdisches Lebens in Deutschland, Ich  muss dabei an meine Begegnung mit Charlotte Knobloch denken. Denn es ist für mich die allererste Begegnung mit einem jüdischen Menschen überhaupt. Und es ist für mich auch eine Begegnung mit meinem eigenen Glauben – denn in dem Gespräch mit der gläubigen Jüdin Charlotte Knobloch spüre ich so viel gemeinsame Wurzeln, so viel gemeinsames Vertrauen in jenen Gott, der Schöpfer alles Lebendigen ist. Der uns mit den Zehn Geboten und den Worten der Propheten gezeigt hat, wie wir miteinander leben sollen.

 „Wieso kommt denn eigentlich die Feuerwehr nicht?“Diese Frage bleibt eine Mahnung, wo Menschengruppen zu Sündenböcken gemacht werden. Wo Gesellschaft gespalten werden soll. Da gilt es die kleinen und großen Schwelbrände des Hasses direkt im Alltag zu löschen – mit Mut und Zivilcourage .Damit Menschen, die diskriminiert werden, nicht alleine da stehen und keiner drum herum sagt etwas. Und damit niemand mehr fragen muss: „Wieso kommt denn eigentlich die Feuerwehr nicht?“

 

*Quelle: https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&id=27622

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32886
weiterlesen...