SWR4 Abendgedanken

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01APR2021
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Was für eine demütige Geste: Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Das tut er nach ihrem letzten gemeinsamen Abendmahl, bevor er dann festgenommen und gekreuzigt wird. Und daran erinnern wir uns heute Abend, am Gründonnerstag. An diese demütige Geste. Demütig, weil es eben nicht selbstverständlich ist, dass der starke Anführer, der Wunderheiler, der Sohn Gottes sich auf den Boden kniet und die dreckigen Füße seiner Freunde wäscht. Der Starke dient den Schwachen, und nicht anders herum.

Demütig zu sein bedeutet, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Andere gleich wertzuschätzen. Sich als starker Mensch den Schwächeren unter- oder nachzuordnen. Das macht Jesus, wenn er seinen Jüngern die Füße wäscht. Er ist demütig.

Wenn ich über meine Kirche nachdenke, die Kirche, die sich auf Jesus beruft, die heute, an Gründonnerstag, an die Fußwaschung erinnert, dann denke ich ehrlich gesagt nicht als Erstes an Demut. Ganz im Gegenteil. Dann denke ich gerade leider eher an eine Kirche, die sich mit ihrer Moral über das Leben der Menschen stellt. Die uns Frauen unterdrückt, die Liebe zwischen Menschen abwertet und sich selbst viel zu wichtig nimmt. Im Religionsunterricht werde ich häufig angefragt: Warum sind sie als Frau da überhaupt noch dabei? Meine Freundin fragt, warum ich da noch mitmache, wenn ich doch so viele Dinge anders sehe als die Kirche.

Diese Frage zerreißt mich, weil die Antwort mir schwer fällt. Aber dann ist da dieser Gründonnerstag. An dem Jesus uns allen zeigt, wie das geht: Demütig zu sein. Als Großer den Kleinen zu dienen. Und ich merke – wirklich jedes Jahr – , wie ich daran scheitere. Weil ich mich meistens nicht auf den Boden knie, um anderen zu helfen, sondern lieber danach gucke, wie es mir und meiner Familie in unserem Wohlstand gut geht. Und ich mir selbst gefalle mit meinen aufgeklärten Ansichten über die Welt, anstatt sie auch mal auf den Kopf zu stellen. Wie Jesus, an den ich glaube und für mich ein großes Vorbild ist. Ich möchte auch demütig sein. Indem ich mehr Geld teile. Indem ich zuhöre, statt Andere mit meinen Ansichten zu belehren. Ich will nicht immer denken, ich sei besser oder wichtiger, ich will demütig sein. Das wünsche ich mir, daran arbeite ich weiter, für mich, und unbedingt auch für meine Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32883
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