SWR4 Abendgedanken

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31MRZ2021
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Meine Tochter hat ein neues Kinderbuch geschenkt bekommen. Es handelt von Rosa Parks. Rosa Parks ist eine schwarze Frau, die in Amerika aufgewachsen ist. Sie hat sich geweigert, ihren Sitzplatz im Bus an einen weißen Mann abzugeben – nur weil er weiß ist. Ihre Aktion hat eine riesige Protestwelle entfacht und schließlich zur Abschaffung der Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln geführt.

Als ich meiner Tochter das Buch über Rosa Parks vorlese, fragt sie mich: „Mama, was ist eigentlich schwarz?“ Ich zeige ihr die Bilder im Buch und frage sie, ob sie erkennt, dass die Menschen dort unterschiedliche Hautfarben haben. Sie sagt nur: „Mama, du hast auch eine dunklere Haut als ich. Wir haben doch alle unterschiedliche Hautfarben.“

Ich finde es bemerkenswert, dass Kinder solche Unterschiede gar nicht wahrnehmen und ihnen das nicht wirklich wichtig ist. Ich weiß aber auch, dass das eine ziemlich privilegierte Sicht ist. Denn das ist der Blick einer Weißen. Meiner Tochter ist der Unterschied von schwarzer und weißer Haut bisher gar nicht aufgefallen, weil sie noch nie aufgrund ihrer Hautfarbe ausgeschlossen, in eine Schublade gesteckt oder angegriffen wurde. Sie hat noch nie Rassismus erfahren. Aber: Keinen Rassismus zu erfahren bedeutet eben nicht automatisch, dass es keinen Rassismus gibt.

Ich erkläre meiner Tochter, dass Gott uns unterschiedlich erschaffen hat. Wir sehen alle anders aus. Aber wir sind alle gleich wertvoll. Völlig unabhängig von unserem Aussehen. Meine Tochter gefällt das. Aber wie schafft sie es, das in dieser Welt zu leben: Dass wir alle gleich wertvoll sind? Dazu muss ich ihr erklären, dass wir privilegiert sind; und das nur, weil wir so aussehen, wie wir aussehen: Weil wir weiß sind. Ich erkläre ihr, dass sie deshalb bevorzugt wird – dass ihr automatisch mehr gute Charaktereigenschaften und weniger Gewalt zugetraut werden. Sie erfährt durch ihre Hautfarbe ein Privileg, weltweit. Das muss sie wissen, denn nur so weiß sie auch, dass es Menschen gibt, die genau das Gegenteil erfahren – dass ihnen weniger vertraut und weniger zugetraut wird, weil sie schwarz sind.

Unser Privileg, weiß zu sein, bedeutet Verantwortung: Rassismus schnell zu erkennen und etwas dagegen zu unternehmen. Meine Tochter ist wütend, weil sie das ungerecht findet, dass Menschen anders behandelt und bewertet werden. Ich glaube, dieses Gefühl ist gut, denn nur so kann auch sie laut werden gegen Rassismus.

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