SWR2 Wort zum Tag

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27MRZ2021
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Was ganz am Anfang war, weiß niemand. Die Naturwissenschaften haben faszinierende Theorien darüber entwickelt, wie das Universum begonnen haben könnte. Aber ganz sicher weiß es niemand.

Wie mein eigenes Leben angefangen hat, weiß ich ebenso wenig. Ich habe keine Erinnerung daran. Was ich über meine eigenen Anfänge weiß, das habe ich aus Erzählungen meiner Eltern oder älteren Geschwister. Wie alles begann, dazu entwirft die Bibel ein großes poetisches Gemälde.

Am Anfang, heißt es, war die Erde wüst und leer. Da nimmt Gott ein Stück toter Materie und bläst ihr seinen Atem ein. So entsteht aus einem Klumpen Erde der Mensch. Der atmet tief durch. Und so, mit dem Atem Gottes, beginnt alles Leben.

Diese Geschichte ist große Poesie. Sie erzählt vom Anfang, wie die ganze Schöpfung von Gott beatmet wird. Und macht mir selbst bewusst, dass auch mein Anfang an jedem Morgen darin besteht, dass ich tief durchatme.

Es gibt Tage, da atme ich schwerer oder bin außer Atem, wenn mir etwas zusetzt. Meistens aber atme ich abends erleichtert aus, wenn mein Tagespensum geschafft ist. Wie vermutlich auch eines Tages am Ende meines Lebens. Wenn ich den letzten Atemzug tue.

Einer, der das intuitiv verstanden hat und in poetische Worte fassen konnte, war der Dichter Rainer Maria Rilke: „Das musst du wissen“, hat er geschrieben, „dass dich Gott durchweht seit Anbeginn.“

Ein schönes Bild, finde ich. Es sagt: die Schöpfung, als Gott dieser Welt den Atem eingehaucht hat, geht weiter. Bis hin zu dir. Sie reicht bis zu den Atemzügen, die du heute tust.

„Du musst wissen, dass dich Gott durchweht seit Anbeginn.“ Ein schöner Gedanke, jeden Tag in Verbindung zu sein mit dem ersten Schöpfungsmorgen, als alles begann.

Auch dieser Morgen heute ist darum etwas Besonderes. Ein ganzer Tag liegt vor mir, von dem ich nicht weiß, was er bringt. Vieles habe ich mir vorgenommen für heute. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Welchen Menschen ich begegne, welchen Einflüssen ich ausgesetzt bin, was mir zustößt – ich habe es nicht in der Hand.

Was ich aber weiß: ich bin über jeden Atemzug in Verbindung mit meinem Schöpfer und der ganzen Schöpfung. Ganz so, wie Rilke in der Sprache der Poesie gesagt hat:  „Das musst du wissen, dass dich Gott durchweht seit Anbeginn.“ Das wünsche ich Ihnen, dass Sie den Hauch Gottes spüren, der sie durchweht! Bei jedem Atemzug.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32838
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