SWR2 Wort zum Tag

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25MRZ2021
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Was ist die Quintessenz eines langen, gelebten Lebens? Wenn ein Mensch, den ich schätze, ein gewisses Alter erreicht hat, dann interessiert mich das: was hat er oder sie vom Leben verstanden?

Vor kurzem ist der Maler und Kinderbuchautor Janosch 90 Jahre alt geworden. Unzählige Kinder und Erwachsene haben sich von seinen Bildergeschichten begeistern lassen.

Wenn etwa der Tiger und der kleine Bär über das Leben philosophieren. „O Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“ „Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“

Ich finde, das trifft die Sache gut. Ganz unheimlich und schön, genau so ist das Leben. Darum hat Janosch gemeint: „Im Leben geht es vor allem darum, dass man bei Windstärke eins nicht gleich umfällt. Um viel mehr geht es nicht.“

Ich weiß aus seiner Biographie: Janosch hat sehr gehadert mit seiner schweren Kindheit. Mit einer Religiosität, die er als unterdrückerisch erlebt hat. Deshalb haben ihn aber auch Themen wie Freundschaft und Zuneigung angezogen. Und die Frage, was dem Leben Sinn gibt, hat ihn nie losgelassen.

Dass dieses Leben beides ist, ganz unheimlich und schön, zieht sich auch wie ein roter Faden durch die Geschichte Jesu und seiner Jünger. Einmal waren sie zusammen in einem Fischerboot auf dem See Genezareth unterwegs.

Eben noch hatten sie  von ihrer gemeinsamen Zukunft geträumt. Da kommt plötzlich ein furchtbares Unwetter auf. Ein lebensbedrohlicher Sturm. Riesige Wellen türmen sich vor ihnen auf.

In ihrer Angst rufen sie nach Jesus, der hinten im Boot schläft. „Habt ihr denn kein Vertrauen?“, fragt Jesus. „Ich bin doch da! Ich bin doch bei euch!“

Vertrauen haben. Ich finde, das könnte so etwas wie eine Quintessenz sein. Ein Glaubenssatz, der voller Lebenserfahrung steckt. Jesus hat sich von ihm tragen lassen. Durch ruhige Zeiten. Aber mehr noch durch Zeiten, als es stürmisch wurde.

„Im Leben geht es vor allem darum, dass man bei Windstärke eins nicht gleich umfällt“, hat Janosch gesagt. Ich übersetze das für mich so: Es kommt darauf an, die Balance zu halten. Aus der Kraft des Vertrauens.

Längst nicht immer schaffe ich das aus eigener Kraft. Weil das Leben manchmal eben doch ganz schön unheimlich ist.

Dann hilft es mir, mein schwaches Vertrauen zu verbinden mit einem größeren Vertrauen. Zu dem, der mit im Boot sitzt.

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