SWR3 Gedanken

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25MRZ2021
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Die KITA-Leiterin stöhnt als ich sie frage, ob sie inzwischen geimpft ist.  So viel Lebenszeit vergeudet in der Hotline und auf der Homepage der Impftermine.  Ebenso die Frau in der Gemeinde, die lauter Vorerkrankungen hat:
Absurde Geschichten erzählen manche, die versucht haben, sich impfen zu lassen und dann weggeschickt wurden, weil die Berechtigung nicht hinlänglich gewesen sei, der falsche Impfstoff über die Homepage zugeordnet wurde und so weiter.


Dadaistischer Regulierungswahn sorgt dafür, dass hunderttausende Impfdosen in Kühlschränken lagern, während hunderttausende Personen keinen Impftermin bekommen.
Ich kenne so viele Leute, die gerne endlich mit AstraZeneca geimpft werden wollen, aber dauernd wird in den Medien darüber berichtet wie unbeliebt der Impfstoff sei. Ich bin genervt. – Obwohl:
Ich gehöre ja zu denen, die es glücklich geschafft haben schon einmal geimpft zu sein.
Weil ich Lehrerin bin und vorerkrankt, mit Astra Zeneca. Dann telefoniere ich mit einer Freundin. Sie erklärt mir: ‚Du bist doch die Pfarrerin! Jetzt sei doch mal dankbar!
Es ist doch ein Wunder, dass wir überhaupt schon einen Impfstoff haben.
Und es ist doch gut, dass die in den USA und in England viel impfen, da war die Situation so dramatisch und überhaupt, wer hätte gedacht, dass die Wissenschaftler das hinkriegen mit dem Impfstoff, so schnell. Und wenn wir nicht die ganze Welt impfen, bleibt das eh sinnlos.‘

Ich stecke irgendwie fest mit meinem geplatzten Kragen. Stecke fest mit dem Vorsatz dankbar zu sein. Ich übe das. Und dann platzt er wieder, der Kragen. Und ich merke: wenn ich wütend bin, fühle ich mich wenigstens nicht so ohnmächtig.
Ich glaube, es braucht den geplatzten Kragen, es braucht Wut, um zu überleben – und ja: Wir werden wieder leben, so richtig! darauf vertraue ich – der geplatzte Kragen hilft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32820
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