SWR2 Wort zum Tag

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23MRZ2021
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Was bedeutet für Dich „heilig“, frage ich einen Freund. Zugegeben eine ungewöhnliche Frage beim Joggen. Ihm ist dieses Wort erst einmal fremd. Heilig - was soll das sein? Ein Begriff, ein Wort? Ratlosigkeit. Was ist denn für dich: „heilig?“ fragt er zurück. Ich erzähle aus einer Runde von Menschen aus ganz unterschiedlichsten Berufen, manche haben mit Glauben oder Kirche gar nichts zu tun, wollen es auch nicht. Eine junge Schweizer Pfarrerin berichtet unbefangen, dass sie in der Heiligen Schrift gelesen habe. Einem Regisseur ist das, was sie erzählt, komplett fremd. Wieso „Heilige“ Schrift? Die Bibel sei für ihn eine - zugegeben interessante - literarische Sammlung. Aber „heilig“? „Für mich schon“ sagt die junge Frau. Der Regisseur wird ärgerlich. „Das mogelst du dir doch zusammen“ wirft er ihr vor.

Was ist heilig? In der Bibel ist Gott heilig, und er kann Menschen heiligen, was durchaus praktische, handfest ethische Konsequenzen hat. Geheiligt sein und andere betrügen oder unterdrücken, das ist nicht Gottes Wille. Und dann gibt es noch die Gemeinschaft der Heiligen, zu der alle Christenmenschen zählen.

Was ist, für dich, heilig? Die junge Schweizer Pfarrerin versucht zu erklären, was ihr an der Heiligen Schrift heilig ist. Dass sie innerlich bewegt wird von den Geschichten, von einzelnen Sätzen. Dass sie sie auf ihr Leben beziehen kann. Dass sie ihr aktuell vorkommen, diese Geschichten, trotz aller Fremdheit. Und dass sie zu ahnen meint, dass Gott zu ihr spricht aus diesen Schriften mit den sich zum Teil widersprechenden Sätzen und Botschaften. Gerade so aber gefällt es ihr. Leben ist nicht eindimensional, Gott offenbar auch nicht. „Du mogelst dir etwas zurecht!“ Sie lächelt, „ich mogel ganz gerne,“ meint sie.

Was ist: Heilig? Die junge Pfarrerin hat dann ein Wort gefunden, das den Regisseur aufhorchen ließ. „Ich werde durchlässig“, sagte sie. „Durchlässig für das, was mich umgibt, und Gott umgibt mich. So werden für mich die Worte der Bibel, ihre Geschichten, durchlässig für Gott. Transparent, ich ahne etwas von einer anderen Wirklichkeit, die sich mir zuwendet.“ „Das möchte ich auch erleben,“ sagte der Regisseur.

Das hat dann auch meinen Joggingpartner interessiert. Weil es faszinierend ist, sich so auf das Leben einzulassen, und auf die Menschen. Neugierig. Und offen. Durchlässig sein. Schließlich: Vielleicht zeigt sich mir gerade in einer Begegnung ein Schimmer des Heiligen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32804
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