SWR2 Wort zum Tag

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20MRZ2021
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Wie oft habe ich schon an Gott gezweifelt. Meistens dann, wenn ich Ärger oder Frust hatte auf die Welt oder aufs Leben. Wenn ein Wirbelsturm gerade über die ärmsten Länder fegt. Oder wenn jemand viel zu früh stirbt. Oft habe ich das Gefühl, Gott tut nichts gegen die schlimmen Dinge auf der Welt. Oder er ist nicht da, wenn ich ihn brauche.

Mit dieser Frage - wo Gott ist, wenn´s drauf ankommt - bin ich nicht allein. Die stellen viele Menschen. Und eine brauchbare  Antwort ist sehr schwierig, manche sagen sogar unmöglich. Mir helfen dabei drei Überlegungen.

Die erste führt mich ganz an den Anfang. Warum es uns Menschen überhaupt gibt. Ich stelle mir vor, dass Gott dabei nicht die Idee hatte, uns Menschen wie Marionetten zu erschaffen, die er von oben wie ein Puppenspieler steuert. Ich glaube er hat uns als ebenbürtige und freie Partner gewollt, mit denen er in Beziehung treten kann, die er lieben kann. Denn die freiwillige Liebe zählt so viel mehr als eine erzwungene. Aber Freiheit gewähren heißt eben auch, dass sich Menschen gegen Gott entscheiden können. Dass sich Menschen gegen Menschen entscheiden können, dass sie sich gegen das Klima oder gegen das Leben entscheiden können. Das ist der Preis für die Freiheit.

Der zweite Aspekt: Viele Dinge werden erst klar, wenn ich sie in einem größeren Zusammenhang sehe - das Universum ist so groß. Ich als Mensch sehe Ursache und Wirkung meistens in meinem beschränkten Umfeld, kann gar nicht ermessen, wozu etwas noch gut sein könnte. Das Bild eines gewebten Teppichs ist da hilfreich. Von hinten sehe ich da nur ein chaotisches Gewirr aus Fäden und Farben. Wird der Teppich aber umgedreht, bekommen alle Knoten und offenen Enden plötzlich den Sinn eines Musters. Leider kann ich im Leben nur die Rückseite sehen, ich kann nur ahnen und hoffen, dass auf der anderen Seite etwas Sinnvolles entsteht. 

Und dann hilft mir noch etwas: Da ich nicht alles verstehen kann, bleiben einfach Fragen. Und manchmal muss ich mich auch bei Gott beklagen, meinen Frust rausschreien. Das haben viele bereits vor mir getan. Es gibt so viele Psalmen im Alten Testament, die Gott anklagen und ihren Ärger rausschreien. Und sogar Jesus hat am Kreuz noch gefragt: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Und trotz all dem halte ich fest an ihm, glaube an ihn und versuche immer wieder, mit ihm in Beziehung zu treten. Und natürlich hoffe ich, dass mich Gott nicht hängen lässt, wenn´s dann mal drauf ankommt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32790
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