Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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20MRZ2021
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Peter ist regelmäßig zu uns an die Haustür gekommen. Er hat sich dann die Fernsehzeitschiften der vergangenen Wochen abgeholt, um sie durchzublättern. Er wohnte in einer diakonischen Einrichtung am Ortsrand. Dort leben und arbeiten Männer mit einer geistigen Behinderung. Die Männer gehören zum Ortsbild. Einmal hat Peter meine Mutter auf dem Heimweg von einer Beerdigung begleitet. Von der Beerdigung hat meine Mutter fast gar nichts erzählt.  Was sie aber berichtet hat, war ein Satz von Peter, der sie sehr beeindruckte hatte. Peter hatte nach der Beerdigung zu ihr gesagt: „Ich bin so dankbar, dass ich lebe“.

Peter hatte einen guten Start ins Leben gehabt. Aber ein Unfall oder eine Krankheit hatte seine geistigen Fähigkeiten stark beeinträchtigt. Trotz dieser Einschränkungen wusste er das Leben zu schätzen. Er war dankbar für das, was er hatte und was er konnte. Seine Lieblingsbeschäftigung war nicht das Klagen.

Psychologen haben in den letzten Jahren wiederentdeckt, wie hilfreich es ist, Dankbarkeit zu praktizieren. In zahlreichen Zeitschriften begegnet einem das Thema. Autoren empfehlen Tagebücher speziell fürs Danken. Dort kann man jeden Abend drei Dinge eintragen, wofür man an diesem Tag dankbar ist. Sich im Danken üben hebt die Lebensqualität. Wir nehmen bewusster wahr, was wir haben und an Schönem erleben. Wir bleiben nicht problem- und defizitorientiert.

Peter hat das schon immer gewusst. Dadurch habe ich das Gebet von Jesus besser verstanden, wenn er sagt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast“.

Ja wir können von den Unmündigen durchaus etwas lernen. Sonntags hat Peter auf seinem Platz in der Kirche dankbar die Lieder mitgesungen. Wer seinen Dank gegenüber seinem Schöpfer zum Ausdruck bringt, der naht sich Gott und kann sich als reich beschenkt erleben.

Zu den Unmündigen gehören ja auch die Kinder. Von denen können wir ebenfalls lernen. Kürzlich habe ich gehört, wie unsere fünfjährige Enkeltochter spontan so vor sich hinsagte: „Ich bin froh, dass es mich gibt“. Auch das sagt leider nicht jeder Erwachsene so selbstverständlich von sich.

Wir können uns von Peter und dem kleinen Mädchen an die Hand nehmen lassen, um das Danken zu üben und darin Fortschritte zu machen. Dann erstrahlt die Welt in einem helleren Licht und wir merken, jemand meint es gut mit uns.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32786
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