Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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20MRZ2021
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So viele Tote, sagt mein Sohn bestürzt, als er die neue Statistik der Corona Toten in den Radionachrichten hört. Er ist zwölf. Den Tod hat er schon kennengelernt, als sein Opa vor zwei Jahren gestorben ist. Aber vorstellen kann er sich das trotzdem nicht. Hinter jeder Zahl ein Mensch. Und dessen Freunde und Familie, die nun traurig sind. Wie lernen Kinder mit dem Tod zu leben? Gerade in diesen Zeiten, in denen so oft davon die Rede ist?

Ich glaube, wir brauchen Geschichten. Geschichten, die uns zeigen, wie das Leben ist. Und das gilt vor allem auch für Kinder. Sie merken schnell, was ihnen dabei hilft, das mit dem Tod besser zu verstehen. Deshalb wundert es mich nicht, wie begeistert meine Söhne von Harry Potter sind. Die Geschichte des Waisenjungen aus der Welt der Zauberer ist ohne den Tod nicht denkbar. Denn Harrys Eltern sterben, um ihn zu retten. Über viele hundert Seiten und sieben Jahre Schule lernt Harry, worin die Kraft dieses Opfers seiner Eltern liegt. Dass es ihre Liebe ist, die ihn seither schützt. Dabei erfährt er auch, wie Menschen sinnlos sterben. Und er erkennt, dass endloses Leben nicht erstrebenswert ist, wenn man ein Mensch bleiben will.

Natürlich passiert in den Büchern auch allerhand anderes. Aber die besondere Stärke der Geschichte liegt darin, dass der Tod von Anfang an dazugehört.

Das literarische Vorbild für solche Geschichten bleibt die Lebensgeschichte von Jesus. Auch wenn das meinen zwölfjährigen Sohn gerade nicht so interessiert. Jesu Leben ist ohne den Tod nicht denkbar. In den christlichen Kirchen leben wir gerade auf diesen Tod hin. Die Passionszeit, die sieben Wochen vor Ostern, gipfeln in der Erinnerung an Jesu Hinrichtung am Karfreitag. Er stirbt. Und seit über 2000 Jahren lernen wir immer wieder neu, was dieses Opfer für uns bedeutet. Gott hat entschieden, Mensch zu bleiben bis zum Schluss. Er spart den Tod nicht aus. Und hilft den Menschen gerade so, mit dem Tod besser leben zu können. Dafür zeigt er den Menschen eine Macht, die stärker ist als der Tod: Die Liebe.

Auch das findet sich bei Harry Potter wieder: Am Ende ist die Liebe der stärkste Zauber von allen. Und das ist ein Ende, mit dem ich gut leben kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32779
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