SWR2 Wort zum Tag

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12MRZ2021
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Habe ich überhaupt die Wahl? Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich in meinen Entscheidungen nicht wirklich frei bin. Vielleicht kennen Sie das auch? Wofür ich meine Zeit verwende, das scheint mir zum Beispiel oft festgelegt.

Da sind Verpflichtungen, die ich eingegangen bin, Umstände, die ich mir nicht ausgesucht habe – und dazu jetzt die Einschränkungen durch Corona, die niemand wollte. Und dann ist ja auch noch die Frage: Wie frei bin ich überhaupt innerlich, Entscheidungen in meinem Leben zu treffen? Habe ich vielleicht sowieso keine Wahl?

Die hebräische Bibel ist da optimistischer. Im fünften Buch Mose lässt Gott dem Volk Israel durch Mose ausrichten: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst! (5. Mose 30,19)

Was mir daran auf jeden Fall gefällt, ist der positive Ansatz: Damit du das Leben erwählst! Das ist das Ziel. Aber: Kann man das wirklich, das Leben wählen? Und: Was heißt das?

Ich denke: Tatsächlich kann ich nicht über alles frei entscheiden. Mir sind äußerlich und auch innerlich Grenzen gesetzt. Es gibt vieles, was mich beeinflusst – manchmal ohne, dass ich es merke.

Trotzdem: Das Leben zu wählen, ist nicht eine Entscheidung, sondern das sind viele kleine. Und die, glaube ich, kann ich doch jeden Tag neu treffen. In der Bibel, in der Rede von Mose an das Volk Israel, bedeutet „das Leben wählen“ so viel wie: Gottes Gebote, seine Regeln zu befolgen. Da geht es um konkrete Dinge: Nicht nur für die Arbeit zu leben, sondern sich selbst und anderen am Sonntag Ruhe zu gönnen, zum Beispiel. Oder: die Beziehungen anderer zu respektieren, nicht übergriffig zu werden. Oder: Menschen anderer Herkunft gut zu behandeln.

Das Leben wählen – das kann ich jeden Tag im Kleinen. Und übrigens auch jedes Mal auf meinem Stimmzettel, wenn ich wählen gehe. Zum Beispiel am kommenden Wochenende bei den Landtagswahlen.

Wo man letztlich sein Kreuz machen muss, um „das Leben“ zu wählen – da kann man zu verschiedenen Antworten kommen. Nicht immer ist es einfach zu sagen, was das Leben fördert – und zwar nicht nur mein persönliches, sondern das möglichst vieler Menschen: Welche Gesetze sollen gelten, wenn ein Mensch am Lebensende selbst über seinen Tod bestimmen möchte? Wer genau soll wie viele Steuern zahlen, und wie soll das Geld verteilt werden, damit alle ein möglichst gutes Leben haben? Und: Welche Regeln braucht es jetzt, damit wir das Klima und unser Überleben auf diesem Planeten retten können?

Keine leichten Entscheidungen. Aber ich bin überzeugt: Wir haben die Freiheit der Wahl. Und wir sollen wählen. Das Leben wählen. Jeden Tag. Und auch auf unserem Stimmzettel.

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