SWR4 Abendgedanken

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10MRZ2021
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Halbzeit – so ungefähr die Hälfte der Fastenzeit ist geschafft. Aber macht das denn überhaupt Sinn? Wir sind jetzt schon seit einem Jahr im Pandemie-Modus. Und mussten schon auf so vieles verzichten. Reicht das denn nicht?

Die Fastenzeit hat natürlich was mit Verzichten zu tun. Und es gibt auch heute noch viele, die z.B. auf Schokolade verzichten. Oder Fleisch. Oder, die sieben Wochen lang kein Handy benutzen. Aber ich glaube, dass das nur einen Teil der Fastenzeit ausmacht. So verstehe ich jedenfalls den Propheten Jesaja – seine Geschichte steht in der Bibel.

Propheten haben den Menschen damals weitergesagt, was sie von Gott gehört haben. Sie waren also so was wie Boten. Und Jesajas Botschaft an die Menschen war:

„Das wäre ein Fasten, wie ich es liebe: Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen, bindet ihr drückendes Joch los! Lasst die Misshandelten frei und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf. Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten!“

Fasten kann also auch was mit sozialem Ausgleich in meinem direkten Umfeld zu tun haben – so wie es Jesaja sagt. Ganz konkret. Was kann ich dafür tun, dass es in meinem Umfeld jemandem besser geht, dem es bisher schlechter ging als mir?

Eigentlich geht es mir doch gut. Und natürlich soll das auch so bleiben, aber nicht um jeden Preis. Nicht, wenn jemand anderes darunter leiden muss. Was und wo ich einkaufe, was ich anziehe und vor allem, wie ich mit anderen Menschen umgehe, darauf kommt es an. Ich will niemanden ausnutzen. Nicht die Menschen in meiner Nähe, aber auch nicht die weit weg, die für einen Hungerlohn arbeiten, damit ich billig einkaufen kann.

Ich glaube, Fasten hat was damit zu tun, dass ich mir überlege, was mir wichtig ist. Wer will ich sein? Wer kann ich sein? Wo ist mein Platz? Deshalb gibt es ganz viele Möglichkeiten zu fasten. Ich kann schauen, was bestimmt mein Leben? Bin ich vielleicht sogar von irgendwas abhängig?

Es geht also nicht um eine Diät. Die schadet vielleicht auch nicht, dreht sich aber nur um mich selber. Ich möchte in der Fastenzeit die Menschen um mich herum mehr und bewusster wahrnehmen, damit ich zu einem guten Miteinander beitragen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32706
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