SWR4 Abendgedanken

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01MRZ2021
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Auf den ersten Blick ist es ein internes Thema; das nur die Institution katholische Kirche betrifft. Noch immer können ausschließlich Männer zu Priestern geweiht werden, für Frauen ist dieser Beruf nicht vorgesehen, eine Weihe ist verboten. In Wirklichkeit aber reicht diese Tatsache weit in die Gesellschaft hinein. Denn in einer demokratischen Gesellschaft heißt so eine Ungleichbehandlung Diskriminierung.

Das Wort Beruf bedeutet: sich zu einer Aufgabe ge-rufen fühlen. Wenn Männer sich in der katholischen Kirche berufen fühlen, werden sie Priester oder Diakon. Wenn Frauen Gottes Ruf hören, wird ihnen dieser Ruf abgesprochen oder er wird meistens einfach ignoriert. Ein Bischof hat die Berufung von Frauen vor Kurzem als ein „Nischenthema“ abgetan. Nicht nur ich finde das ziemlich arrogant. Für viele ist das immer weniger akzeptabel. 150 Frauen haben jetzt eine Art Gegenbeweis vorgelegt: Sie haben ihre Geschichte aufgeschrieben und erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin oder Priesterin. Gesammelt haben sie alles im Buch „Weil Gott es so will“. Das ist ein Titel, der Selbstbewusstsein ausstrahlt. Und ich finde es nur richtig, dass die berufenen Frauen ihr Thema so angehen.

Eine Geschichte stammt von Andrea. Sie ist 19 Jahre alt und studiert Theologie. Sie spricht von einer tiefen Sehnsucht, ihr Leben ganz in den Dienst Gottes stellen zu wollen. Sie erzählt ihrem Pfarrer davon, dass sie sich berufen fühlt. Seine Reaktion: Er lacht sie aus. Eine Theologin schreibt anonym von ihrer Wut und Verletzung. Weil die Kirchenleitung nicht einmal in Erwägung zieht, ihre Berufung anzuhören oder sie gar zu prüfen. Sie sagt: „So werden meine Begabungen, die von Gott stammen, missachtet. Und zugleich wird meine Gottesbeziehung missachtet, aus der heraus ich mich zur Priesterin berufen fühle. Das ist eine Beleidigung – gegen mich und gegen Gott.“

Die Geschichten der Frauen zu lesen tut mir weh. Will Gott es tatsächlich so? Frauen von der Berufung ausschließen? Nein, das will er natürlich nicht! Warum sollte er? Ich bin mir sicher, nicht nur Gott kann auf Frauen wie diese nicht verzichten: Weil sie den Ruf, Gott und den Menschen zu dienen, so eindeutig wahrnehmen.  Weil sie stark sind und für ihre Überzeugung so unerschrocken einstehen. Weil sie, trotz enormem Gegenwind, noch immer so viel Liebe für ihre Kirche und den Glauben empfinden. Und weil sie nicht nur Talent mitbringen, sondern auch eine Vision haben - das macht sie unverzichtbar für die Erneuerung der katholischen Kirche.

„Weil Gott es so will“, Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin, Philippa Rath (Hg.), Verlag Herder

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32685
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