SWR2 Wort zum Tag

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03MRZ2021
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Die Idee hinter der Fastenzeit lässt sich mit einem Wort zusammenfasse: Metanoia. Dieses alte griechische Wort haben kluge Menschen schon in der Antike auf zwei Weisen übersetzt: Metanoia kann heißen, dass ich zu Gott umkehre. Ich faste, um mich auf Ostern vorzubereiten. Oder ich übersetze es eher wörtlich: Dann steht es dafür, neu und anders zu denken.

Ich will die Fastenzeit dieses Jahr für die zweite Variante nutzen: Ich will meine Sicht auf bestimmte Dinge ändern und im Kopf umparken. Es hilft nicht, wenn ich zuhause sitze und mich über die Corona-Beschränkungen ärgere. Ob ich will oder nicht, ich lebe in der Corona-Zeit anders als sonst. Und dabei geht es mir noch gut: Für andere steht die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel.

Die Metanoia in meinem Kopf könnte so aussehen: Kontaktbeschränkung und Maskenpflicht sind das Eine. Meine Gedanken sollen nicht nur den ganzen Tag darum kreisen. Ich werde im Denken freier, wenn ich mich stattdessen auf andere Dinge konzentriere. Am besten auf die Dinge, die mir freistehen. Zum Beispiel bleibt endlich genug Zeit, um einen Roman in Ruhe durchzulesen. Und meine Frau unternimmt mit mir lange Spaziergänge. Die Welt fühlt sich kleiner an als sonst. Aber ich entdecke in dieser kleinen Welt auch viele Dinge, die sonst übersehe.

Früher hat mein Terminkalender immer genau gewusst, was ich in den nächsten Monaten zu tun habe. Jetzt steht dort überall ein Fragezeichen: Vielleicht fahre ich im Juni nach München, vielleicht auch nicht. Dass ich das heut noch nicht weiß, strapaziert meine Nerven nicht mehr. Ich lebe jetzt und hier. Was morgen möglich ist, weiß keiner. So lehrt mich die Coronazeit gelassener zu sein und achtsamer für den Augenblick.

Das sind für mich Beispiele für eine Metanoia. Ich nehme mein Leben anders wahr, ich ändere meinen Blick auf die Dinge. Meine Tage gestalte ich bewusster, weil ich die Zukunft nicht planen kann. Es geht nicht darum, mir diese Krise schönzureden. Ich weiß, dass Corona weiterhin gefährlich bleibt und viele Menschen daran sterben. Und doch kann diese Fastenzeit eine Zeit sein, in der ich nicht lange grüble, was alles anders sein sollte. Ich schaue, was ich trotzdem unternehmen kann. So übe ich mich darin, neu und anders zu denken.

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