SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

28FEB2021
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Sitzen Sie auch schon in den Startlöchern? Bald beginnt ja die Gartensaison wieder. Krokusse und Schneeglöckchen blühen schon. Die Sonne wärmt den Boden. Gehören Sie auch zu den Leuten, die immer am Ende des Winters sehnsüchtig darauf warten, dass es wieder losgehen kann? Das Frühbeet herrichten. Die ersten Setzlinge sind vielleicht schon gezogen. Den Kompost kann man bald in den Boden einarbeiten. Das tut einfach gut, wenn nach langem Winter die Tage wieder länger und wärmer werden. Wenn man wieder länger draußen sein kann. Und wenn’s auch bloß Balkonkübel sind, auch hier kann man gärtnern, aussäen, pflanzen und ernten.

Aber wer gärtnert weiß, dass nicht alles aufgeht, was man aussät oder pflanzt. Dass es immer Verluste gibt. Und man braucht Geduld. Muss warten können. Wachsen und Reifen brauchen Zeit. Setzlinge wachsen nicht schneller, wenn man an ihnen zieht. Beim Gärtnern gehst Du immer in Vorleistung. Ich finde, das ist eine richtige Lebensschule. Beim Gärtnern kann man Vertrauen und Zuversicht lernen.

In der Bibel gibt es eine Geschichte, die knüpft an diese alte Erfahrung an. Jesus erzählt sie und sie ist ein Gleichnis, das auf vieles im Leben passt, finde ich. Ein Bauer geht aufs Feld, um seine Saat auszusäen. Und er macht das, wie man das damals gemacht hat, als es noch keine Maschinen dafür gegeben hat. Er wirft die Körner in weitem Bogen um sich. Er verstreut alles, was er hat. Da geht manches daneben. Einiges fällt auf den Weg. Die Körner werden zertreten und die Vögel picken sie auf. Ein anderer Teil fällt auf felsigen Boden. Die Körner gehen zwar auf, aber vertrocknen schnell wieder, weil sie keine Feuchtigkeit haben. Ein weiterer Teil fällt zwischen die Disteln. Die Disteln gehen mit auf und ersticken die junge Saat. Aber ein anderer Teil fällt auf guten Boden. Die Körner gehen auf und bringen richtig viel Ertrag.

Hätte dieser Bauer nicht ein bisschen besser aufpassen können, werden Sie jetzt vielleicht denken. Wie kann er nur die Samenkörner überall hinwerfen, scheinbar ohne auf die Beschaffenheit des Bodens zu achten, scheinbar ohne sich darum zu kümmern, wo der Samen hinfällt? Was soll diese Verschwendung? Kann das gut gehen oder ist es vielleicht sogar gut, wenn man manchmal was verschwendet?

Mensch, so möchte man ihm zurufen, Samenkörner sind kostbar und Du verschleuderst sie. Du musst doch rechnen, ob sich das rentiert. Drei Viertel Verlust, das kannst Du doch nicht ernsthaft wollen. Das lohnt sich doch nicht. Du mühst Dich vergeblich.

Ich denke manchmal: Vielleicht fühlen sich die jungen Leute gerade so – jetzt in der Pandemie. Mit viel Energie haben sie ihre Prüfungen abgeschlossen. Abitur, Gesellenprüfung, Examen. Da steht einem die Welt doch offen, normalerweise. Da will man loslegen, hat Träume und Hoffnungen und ist begeistert von der Zukunft. Will sich die Welt erschließen. Und jetzt warten sie seit einem Jahr irgendwie. Ausgebremst, abgeschnitten, Pläne im Eimer oder zumindest auf Eis gelegt.

Aber auch wir Älteren könnten wahrscheinlich einiges erzählen, welche Hoffnungen und Träume sich in unserem Leben nicht erfüllt haben. Und von der vielen vergeblichen Liebesmüh. Was habe ich nicht alles schon gemacht. Und was habe ich davon?

Die Geschichte sagt mir: Schau auf den Bauer, wie er aussät. Er macht das einfach so. Er lässt sich nicht verbittern, auch wenn das scheinbar vergeblich ist, was er tut. Und vielleicht ist das ja gar kein Misslingen. Vielleicht sieht er ja mehr, als wir auf den ersten Blick sehen. Er sieht, wie die Vögel sich freuen über die Körner, die sie finden. Und vielleicht tragen sie die ja weiter und woanders geht auf, was er gesät hat. Vielleicht treibt der scheinbar vertrocknete Samen beim nächsten Regen doch noch aus. Oder die Samenkörner setzen sich wider Erwarten durch gegen die Disteln. Es ist noch offen, was aus all den Samenkörnern wird.

Vielleicht muss ich nicht alles bewerten nach Erfolg oder Misserfolg. Und Geduld haben. Vielleicht ist manches im Nachhinein ein guter Weg, was in meinem Leben wie ein Rückschritt aussieht. Zugegeben: nicht alles gelingt und manches geht buchstäblich daneben. Trotzdem kann ich darauf  vertrauen, dass etwas Gutes daraus entstehen kann. Denn den Boden mache ich nicht selbst, auf den das Samenkorn fällt,. Und beim Säen gebe ich etwas aus der Hand. Das Wachsen und Reifen liegt nicht in meinem Vermögen.

Bald beginnt jetzt die Gartensaison wieder. Vielleicht denken Sie ja beim Aussäen an den Bauern aus der biblischen Geschichte. Wie er auf Zukunft hin sät und offen ist für das, was dann zu ernten sein wird. Ungefähr die Hälfte misslingt, das sei ganz normal, heißt es in der Gartenkolumne einer Wochenzeitung. Ich will mich davon nicht beirren lassen.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Sonntag und eine gute Woche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32677
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