SWR1 3vor8

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28FEB2021
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Der Weinberg Gottes ist in einem schlechten Zustand. Vor langer Zeit hat der Prophet Jesaja ein Lied davon gesungen. Vielleicht irgendwo auf dem Marktplatz oder bei einem Fest – wie heute ein Kabarettist, stelle ich mir vor. Heute wird in den evangelischen Gottesdiensten über sein Lied gepredigt (Jes 5, 1-7).

Der Weinberg Gottes, das war damals ein bekanntes Bild für Gottes Volk. Ich würde heute sagen: Für seine Menschen überall auf der Welt. Jesaja beschreibt zuerst, wie gut es den Menschen geht: Sie haben alles, was man für ein gutes Leben braucht. Aber: Trotzdem gibt es im Land überall Egoismus und Ungerechtigkeit. Die Leute, denen Jesaja damals vorgesungen hat, die wussten, woran er dachte. Immer wieder hat er angeprangert, wie die Wohlhabenden auf Kosten der Armen leben und wie die Starken alles für sich beanspruchen und für die anderen nichts bleibt.

Ich überlege mir, wovon so ein Prophet heute bei uns singen würde. Ich denke an die Verteilungskämpfe um die Impfstoffe, ich denke an die wohlhabenden Länder, in denen mit Klimaanlagen und fossilen Brennstoffen und Flugreisen die Umwelt vergiftet wird. Ich denke an die vielen, die fliehen müssen vor Gewalt und Hunger und nirgends finden sie Aufnahme. Ich denke an die hasserfüllten Gesichter auch in unserem Land, die schreien: „Weg mit denen, die nicht hierher passen!“

Jesaja damals hat eine Katastrophe kommen sehen. Das Land wird verwüstet werden, hat er angekündigt. Ihr werdet euch nicht retten können, wenn ihr so weitermacht. Jesaja hat das die Strafe Gottes genannt.

Ich würde heute vielleicht eher sagen: Das kommt davon. Das ist die Konsequenz eures zerstörerischen Tuns. Davor wird uns Gott nicht retten, wenn wir Menschen nicht unser Verhalten ändern. Jesajas Lied damals endete verzweifelt: „Gott wartet auf Gerechtigkeit. Doch hört nur, wie der Rechtlose schreit!“ (Jes 5,7)

Mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich das heute höre. Aber dann denke ich: Jesus hat eine andere Geschichte erzählt. Er hat erzählt, wie Gott einem unfruchtbaren Feigenbaum noch einmal eine Chance gibt (Lk 13, 6-9). Ich hoffe, wir können die Chance nutzen.

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