SWR3 Gedanken

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18FEB2021
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Sie ist eine der mutigsten Frauen, die ich kenne. Gut, ich kenne sie nicht wirklich, aber ich habe einen Bericht im Fernsehen über sie gesehen. Die Frau heißt Julia Leeb. Sie ist Kriegsjournalistin, und als solche war sie schon in zig Ländern, zum Beispiel in Nord-Korea oder im Kongo.

Julia Leeb hat keine Angst, oder sie hat doch welche und überwindet sie immer wieder. Sie sagt: „Mich interessieren die Orte, von denen keine Informationen nach außen gelangen. Die Orte, wo keine Journalisten reinkommen. Das sind die toten Winkel unserer Welt und die will ich beleuchten.“

So viel Mut wie Julia Leeb hätte ich niemals. Aber ich lerne trotzdem was von ihr. Wie wichtig es ist, dass ich hinschaue, gerade dorthin wo sonst die meisten wegschauen. Dafür muss ich gar nicht in gefährliche Länder reisen, hinschauen ist auch in meinem Leben im sicheren Deutschland ein echter Auftrag. Wenn ich mitkriege wie schlecht es meinem Nachbarn im Haus gegenüber geht oder wenn ich zufällig der Frau aus unserem Ort begegne, die ich schon so lange kenne und deren Mann vor kurzem gestorben ist. Da heißt hinschauen, dass ich meinen Mut zusammen nehme, hingehe und ein kleines Gespräch anfange oder eine Kleinigkeit vorbeibringe. Es gibt so viele dunkle Ecken oder tote Winkel, auch in meiner Welt. Die blöden Sprüche an der Haltestelle über den jungen Mann, der anders aussieht, oder die immer gleichen üblen Kommentare über die Kollegin, die niemand mag. Da schauen viele gerne weg, ich auch.

Die Fotojournalisten Julia Leeb hat Recht. Egal, wie mutig ich bin: es kommt darauf an, dass ich hinschaue und irgendwie in den dunklen Ecken Licht anmache.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32593
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