SWR2 Wort zum Tag

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13FEB2021
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Was für eine schöne Idee, habe ich gedacht: ein „Tagebuch der guten Dinge“ zu führen. Die Idee  stammt von der Journalistin Gilda Sahebi. „Es gibt Zeiten, da fühlt sich vieles dunkel an“, hat sie geschrieben. „Menschen haben Angehörige verloren und erleben dadurch eine Dunkelheit, die unendlich erscheint. Menschen haben Existenzen verloren und werden noch lange damit beschäftigt sein, sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen. Menschen haben Strukturen verloren, an denen sie sich festhalten konnten.“

Da hatte sie die Idee mit dem Tagebuch der guten Dinge. In so ein Tagebuch sollte alles hineinkommen, was einem irgendwie Hoffnung macht. Noch so winzige positive Erlebnisse. Kleine Perlen der Erinnerung. Sogar das eine oder andere Schlechte, das vielleicht auch noch eine andere, gute Seite hat.

Das stimmt ja, denke ich, das Negative, was wir erleben, haftet wie eine Klette in der Erinnerung fest. Das Gute aber perlt oft ab wie Wassertropfen auf einer Regenhaut. Und wird vergessen.

Ein Tagebuch der guten Dinge zu führen, könnte dagegen bedeuten, sich darin zu üben, die guten Erfahrungen lebendig zu halten. Denn gute Erinnerungen sind heilsam. Sie verströmen Duft und Energie für den Alltag.

Ich glaube, viele Psalmen in der Bibel sind so etwas wie Anstiftungen zur Erinnerungspflege. Zum Beispiel der Psalm 103: „Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Schuld vergibt und heilt alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der deinen Mund fröhlich macht und du wieder jung wirst wie ein Adler.“

Das finde ich aufregend: dass „gute“ Erinnerungspflege fröhlich machen kann und jung. Sodass alle Erdenschwere von einem abfällt und man abheben möchte wie Vogel.

In den letzten Wochen und Monaten habe ich an mir selber festgestellt, wie heilsam es sein kann, in guten Erinnerungen zu blättern wie in einem alten Fotoalbum. Bilder steigen dann in mir auf von besonderen Situationen. Von Menschen, denen ich gerne begegnet bin. Von Aufenthalten in den Bergen oder am Meer.

Und auch heute liegt ein Wochenende vor mir, wo ich das weiter einüben möchte: den negativen Klebekräften zu widerstehen. Das Gute zu loben und den, der es mir schenkt. Und dann eine weitere Seite zu füllen im Tagebuch der guten Dinge. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen - ein gutes Wochenende!

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