SWR2 Wort zum Tag

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12FEB2021
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Es ist ein schauerlicher Maskenball, von dem der amerikanische Schriftsteller Edgar Allen Poe erzählt. In seiner Geschichte „Die Maske des roten Todes“. In den letzten Monaten ist sie mir immer wieder durch den Kopf gegangen.

Poe erzählt, wie die Pest das Land zur Hälfte entvölkert hat. Der regierende Prinz Prospero aber denkt nicht daran, sich dadurch beunruhigen zu lassen. Er besteht auf seinem Vergnügen und lädt eine exzentrische Gesellschaft von leichtlebigen Freunden in eine abgelegene Abtei ein. Da feiert man -  gut verbarrikadiert - einen rauschenden Maskenball.

Dann passiert, was man schon ahnen kann. Verkleidet hat sich der rote Tod unter die feiernde Gesellschaft gemischt. „Wie ein Dieb in der Nacht“, so schreibt Poe mit einem biblischen Bild, hat er sich hineingeschlichen. Und lässt nun keinen der Anwesenden mit dem Leben davonkommen.

Eine schauerliche Geschichte, aber aus dem Leben gegriffen! Denn Poe war selbst 1831 in Baltimore Zeuge einer großen Cholera-Epidemie. Und hatte erlebt, wie Menschen darauf reagieren können. Keineswegs nur mit Solidarität und Hilfsbereitschaft, sondern auch mit nacktem Egoismus. So dass, wie in seiner Geschichte, aus der egoistischen Jagd nach dem Glück eine selbstgemachte Katastrophe wird.

Jesus zeigt an einer Stelle im Neuen Testament, dass es anders gehen kann. „Wer sein Leben erhalten will“, sagt er, „der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's erhalten. Welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst dabei?“

Es ist tatsächlich paradox: krampfhaftes Festklammern führt dazu, gerade das zu verlieren, was man ersehnt. Wer nur den eigenen Vorteil im Sinn hat, zerstört die Verbindung zu anderen.

Offenbar gehört es aber zum Leben, loslassen zu lernen. Nicht nur belanglose Kleinigkeiten, sondern manchmal sogar das vermeintliche Recht auf das eigene Glück. Genau dann aber kann das Überraschende eintreten: dass ich mein Glück gerade dort finde, wo ich meine eigenen Ansprüche zurückstelle.

Jesus zeigt diese lebensfreundliche Alternative: wenn ich die Augen öffne und mich vom Schicksal anderer berühren lasse, gewinne ich. Die Fähigkeit zur Empathie. Das Glück, meine Interessen und mein Engagement mit anderen zu teilen. Und am Ende finde ich dabei sogar zu mir selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32587
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