SWR2 Wort zum Tag

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05FEB2021
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Es ist eine grausliche Vorstellung: du surfst auf der Internet-Seite deines Vertrauens und schaust dir plötzlich selbst ins Gesicht. Na gut – bisschen älteres Foto, du siehst also jünger aus als du bist. Aber der Text daneben – tatsächlich: das ist ein Nachruf – auf dich selbst. Ernsthaft; erster April  ist ja auch erst in knapp zwei Monaten. Grauslich, wie gesagt.

Ein sehr peinlicher Fehler war das –  ausgelöst durch einen falschen Knopfdruck am Redaktionscomputer. Jedenfalls hatte ein französischer Radiosender plötzlich  fast hundert Nachrufe online –  als wären die englische Queen und Pelé und Brigitte Bardot und viele andere mehr oder weniger Prominente gestorben. Das ist Alltagsgeschäft in jeder Redaktion: damit sie schnell über jemand Verstorbenes berichten können, liegen wichtige Nachrufe sozusagen auf Halde,  werden gelegentlich aktualisiert. Aber eben auf Halde.

Immerhin war der Sender schnell und hat die Panne behoben –  und konnte  auch mal gute Nachrichten verbreiten:  Elizabeth the Second und die Bardot waren noch am Leben –  ebenso wie Stürmerstar und Weltmeister Pelé. Und von Majestätsbeleidigung oder ähnlichem war auch keine Rede. Zumal solche Nachrufe ja normalerweise  eher über die guten Eigenschaften der Verblichenen zu berichten pflegen und über die guten und nachhaltigen Taten und Werke.

Das, finde ich, wäre vielleicht sogar reizvoll und hilfreich, wenn mir mein eigener Nachruf begegnen würde –  also ein Nachruf auf mich, noch am Leben. Denn das wäre doch interessant: Wie die anderen mich erleben, was sie an mir schätzen – oder auch nur so la la finden. Fremdwahrnehmung nennen die Lebenshilfe-Tipps das: schau mal, wie die anderen dich wohl wahrnehmen.

Und das ist keineswegs narzistisch,  also egoistisch und selbstsüchtig oder selbstbezogen und verwerflich. Jesus hat die Freunde ja auch mal gefragt:  wofür halten mich die Leute eigentlich?  Die antworten mit Klischees und vorgeprägten Bildern: du bist der wiedergekommene Elija oder ein anderer Prophet.  Und wofür haltet ihr mich?, fragt Jesus weiter.

Wie gesagt: mal fragen oder einfach gesagt bekommen, was andere an mir gut finden – das wäre interessant und vermutlich hilfreich. Und was ich an mir weniger gut finde, das weiß ich schon selbst. Und auch, wo mal eine Korrektur fällig wäre. Für mich braucht es noch keinen Nachruf – ich lebe und arbeite weiter; dankbar, natürlich, für jedes feed back!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32552
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