SWR2 Wort zum Tag

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09FEB2021
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Auch wenn der Tag schon begonnen hat – heute möchte ich ein Lob des Schlafs singen. Es ist nämlich eine geheimnisvolle Sache mit dem Schlaf. Schlafend sind wir ganz bei uns und wissen doch nicht, was uns geschieht. Schlaflabor hin oder her - keiner kann genau sagen, was geschieht, wenn er eingeschlafen ist. Selbst der Vorgang des Aufwachens ist geheimnisvoll. Eben noch waren wir ganz im Traum, im nächsten Moment sind wir wieder bei Bewusstsein. Weder das Einschlafen noch das Aufwachen noch den Schlaf selbst haben wir unter Kontrolle, geschweige denn, dass wir die Kontrolle über uns und unsere Träume hätten. Diese Kontrolle haben wir - so meine ich - sowieso nie ganz, aber im Schlaf wird es ganz deutlich exemplarisch und leiblich erfahrbar.
Im Schlaf gehören wir nur uns und sind uns gleichzeitig entzogen.

In einem kleinen Gleichnis, das das Markusevangelium überliefert, vergleicht Jesus das Reich Gottes auch mit dem Schlaf: „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie.“ Jesus wusste sicherlich als Kind vom Land, dass auch nach der Saat für die Landwirte noch viel Arbeit ansteht. Auch über die Entwicklungsstufen der Pflanze war er bestimmt informiert. Trotzdem spricht er nicht von der Arbeit des Bauern, sondern von seinem Schlaf, während dessen die Saat wächst. Zusätzlich wird noch betont, dass der Bauer nicht weiß, wie es zugeht. Viele wichtige Dinge – und dazu gehört offenbar auch das Reich Gottes – sind unserer menschlichen Kontrolle und Wahrnehmung entzogen und geschehen, während wir uns – wie im Schlaf – selbst vergessen. Das ist einerseits ein Dämpfer für jeden Allmachtswahn, wenn ich mir einbilden will, alles funktioniert nur, weil ich so tüchtig bin. Zugleich ist es aber auch ein Trost in allen großen und kleinen Konflikten, die mich traurig machen und kränken wollen, in allen Sorgen, die mich befallen mögen. Wir Menschen sind nicht gottverlassen, auch wenn es einem manchmal so vorkommen will. Da ist sehr viel mehr Segen als ich mit Bewusstsein erkennen kann.

Möglicherweise ist es manchmal deshalb einfach eine gute Lösung, im Schlaf Trost zu suchen. Ein Schlaf, nach dem die Welt anders aussieht, klarer auch. Warum, wissen wir am Morgen nicht, aber dass es so ist, spüren wir wohl.

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