SWR3 Gedanken

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05FEB2021
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Ein Wort hab ich neulich im Radio gelernt, das ich noch nie gehört hatte: Tugendprotzerei. Es ist die freie Übersetzung des englischen Begriffs „Virtue Signalling“. So sagt man heute, wenn ein Mensch oder ein Unternehmen seine moralischen Überzeugungen wie eine Monstranz vor sich herträgt. Also ganz bewusst mit seiner hohen ethischen Gesinnung angibt. Das kann schnell allerdings auch nach hinten losgehen. Wenn eine Firma etwa damit wirbt, dass sie nur Fleisch von glücklichen Bio-Schweinen verarbeitet und dann rauskommt, dass das Schwein alles andere als glücklich war und die Tierhaltung in Wahrheit eine ziemliche Sauerei.

Trotzdem, Gutes wollen und tun und dann auch drüber reden finde ich prinzipiell gar nicht schlecht. Machen wir Kirchen ja auch. Nur allzu dick auftragen sollte man nicht. Und vor allem nicht in der felsenfesten Überzeugung, sowieso der Bessere zu sein. Der also, der immer auf der richtigen, also guten Seite steht, während alle anderen es einfach nicht checken wollen. Das mit dem Klimaschutz, mit dem Gendersternchen oder der Müllvermeidung. Denn wer überzeugt davon ist, dass das gut und richtig ist, und das bin ich auch, der sollte es einfach tun. Am besten vorleben und gern auch drüber reden. Aber bitte ohne erhobenen Zeigefinger und moralische Überheblichkeit. Dann kommt „Virtue Signalling“ auch nicht als Tugendprotzerei, sondern vielleicht ja als Anstoß zum Nachdenken daher.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32524
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