SWR3 Gedanken

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30JAN2021
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Wir schauen einen Film. Da geben sich Menschen die Hand, umarmen sich herzlich. Wir ziehen automatisch die Luft durch die Zähne. Wie man das tut in heiklen Situationen. Und begreifen schlagartig, dass Corona unser Verhältnis von Nähe und Distanz tatsächlich verändert hat. Abstand ist gut, Nähe ist böse.

Stimmt nicht. Nähe muss sein. Und Nähe geschieht. Manchmal sogar richtig überraschend. Kurz vor Weihnachten klingelt mein Telefon. Es ist meine Tante Hilde, eine Cousine meines Vaters. Bei meiner Konfirmation habe ich sie zum letzten Mal gesehen, dann haben wir uns aus den Augen verloren.

Sie ist jetzt 94 Jahre alt und irgendwo zufällig über meinen Namen gestolpert. Mit reichlich Energie hat sie meine Telefonnummer herausgefunden. Und nun plaudern wir. Über eine Stunde. Als wären nicht so viele Jahre vergangen. Als ob wir uns viel besser kennen, als wir das eigentlich tun. Ein Highlight von Nähe. Sogar am Telefon.

Nähe muss sein. Und Nähe geschieht. Gerne würde ich meine alte Tante besuchen und umarmen. Und irgendwann werde ich das auch tun. So Gott will und wir leben. Bis dahin halte ich äußerlich Abstand und pflege innerlich Nähe. Weil sich dort ja eigentlich Nähe abspielt. Ein Meter fünfzig ist Corona-Maß. Echte Nähe geschieht nach Herzens-Maß.

So ist das auch bei Gott. Der kommt uns auch nicht in Metern und Zentimetern nahe, sondern im Herzen. Und diese Nähe ist auch ein echtes Highlight. Stiftet Perspektive, Geduld, Durchhaltevermögen, Hoffnung. Und davon können wir gerade in diesen Zeiten doch gar nicht genug kriegen.

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