SWR2 Wort zum Tag

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22JAN2021
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Wir sind noch mittendrin in der Pandemie-Krise mit ihrem Lockdown. Wir sind aber eigentlich auch mittendrin in der sogenannten fünften Jahreszeit: Fasnet, Karneval. Nur dass das vermutlich dieses Jahr weitgehend flach fällt. Auch wenn ich in den letzten Jahren gar nicht mehr aktiv dabei war, bedeutet mir diese Zeit viel. Ich überlege mir, wie ich das in diesem Jahr trotzdem für mich erleben kann.

Normalerweise würden die Narren mit ihren Kostümen und ihrem Konfetti jetzt die grauen Tage bunter machen. Die Menschen, die Schunkellieder singen, würden für Geselligkeit sorgen und bei mir auch dafür, dass das Leben etwas leichter erscheint. Und Narrenfiguren wie das „Botterblömsche“ in Köln oder auch die bunten Narren der schwäbisch-alemannischen Fasnet mit ihren Narrenbüchlein würden jetzt mit ihrem Humor die Großkopferten auf die Schippe nehmen.

Genau das hätte ich jetzt umso mehr nötig. Auf das Bunte und das Gesellige muss ich wohl verzichten. Dass das Leben leichter erscheint, kann ich ein bisschen ersetzen, wenn ich in diesen Tagen viel Walzer- und Operettenmusik höre.

Was ich aber auf jeden Fall aktivieren möchte, ist der Humor der närrischen Tage.

Ich mag es, wenn närrische Figuren scheinbar naiv und dümmlich wirken. Wenn sie über die aktuelle Politik und unser Leben sprechen, tappen sie von einem Fettnäpfchen zum anderen und treffen dabei meist den Nagel auf den Kopf. Es ist nur ein Rollenspiel. Aber ich kann doch auch so in die Rolle eines Narren schlüpfen und die Welt um mich herum mal ganz naiv in den Blick nehmen. Bis vor ein paar Tagen konnte ich da regelmäßig beobachten, wie ein Präsident auf der anderen Seite des Ozeans die Gesetze, die er unterschrieben hat, in die Kamera hält wie im Kasperletheater. Und dabei sieht er auch noch aus wie der Seppl mit seiner bunten Wuschelfrisur. Ob in den USA oder in Großbritannien – beinahe gleich.

Und es gibt noch eine andere Seite an den Narren der fünften Jahreszeit. Wie der „liebe Augustin“ aus Lindau, bei dem vieles schief geht, sind sie oft richtige Stehauf-Männchen. Auch das liegt vermutlich daran, dass sie ein bisschen naiv sind. Beinahe wie ein Kind. Wenn alles schief geht, können sie zwar singen „alles ist hin“, aber sie packen das Leben dabei an der Nase und fangen neu an. Diese Kraft zum Neuanfang wirkt vielleicht kindlich. Aber für mich steckt da eine Art von Gottvertrauen drin, die ich mir mindestens in diesen närrischen Tagen leisten darf. Wenn es das Leben für eine gewisse Zeit humorvoller und leichter erscheinen lässt, wäre das schon viel.

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