SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

29JAN2021
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Ich unterrichte eine Klasse von Zahnarzthelferinnen. Zahnmedizinische Fachangestellte heißt das offiziell. Sie sind jetzt, wie ja fast alle Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg, im Fernunterricht.

Das letzte Mal habe ich sie kurz vor Weihnachten gesehen. Es waren die Tage, in denen der Lockdown schon beschlossen war, Ausgangssperre um 20 Uhr, Abstandsgebot und AHA-Regeln. Ich habe, wie öfters zu Beginn des Unterrichts, in die Runde gefragt, wie es ihnen denn so geht. Und damit eine kleine Lawine losgetreten. Meine Schülerinnen kamen ins Jammern. Als erstes platzte eine heraus, dass sie sich trotzdem mit Freundinnen treffe. „Man lebt ja nur einmal!“, war ihr Argument. Und als ich ziemlich entsetzt und pädagogisch vielleicht nicht sehr einfühlsam geantwortet habe, dass das aber rücksichtslos sei, hat mir eine andere Schülerin erklärt, wie es ihr geht: „Wissen Sie, ich arbeite jeden Tag Überstunden. Bei uns in der Praxis ist so viel los. Und dann die ganzen zusätzlichen Hygienevorschriften. Den ganzen Tag mit Maske. Es ist so anstrengend. Und wenn ich dann um 20 Uhr endlich Schluss habe, dann darf ich mit Sondererlaubnis noch nach Hause fahren. Und das war’s dann. Ich kann meinen Freund nicht mal mehr sehen -eigentlich. Wir wohnen ja nicht zusammen. Und am nächsten Tag geht es dann genauso wieder los.“ Und noch eine andere meinte: „Ich versuche schon, mich an die Regeln zu halten. Klar. Meine Oma ist alt. Ich will nicht, dass sie krank wird. Und trotzdem: Es ist so ätzend, abends nur zu Hause hocken zu können. Wenn ich wenigstens noch eine Runde spazieren gehen könnte. Ich werde wild!“

Warum ich Ihnen das alles erzähle? – Weil es mir die Augen geöffnet hat, wie schwer diese jungen Frauen es mit den Corona-Regeln haben. Das soll nicht rechtfertigen, dass sie sich manchmal vielleicht eine Ausnahme gönnen. Gar nicht. Aber ich habe in dieser Schulstunde gelernt: Was wir im Moment von den jungen Leuten verlangen, ist nicht selbstverständlich. Es verlangt ihnen einiges ab. Und ich bin froh und von Herzen dankbar, dass sich viele, viele von Ihnen so tapfer an die Regeln halten, um die Schwachen in unserer Gesellschaft zu schützen. Das ist wunderbar! Und darum möchte ich es jetzt ganz einfach mal aussprechen: Dankeschön! Dankeschön an Euch alle! Und: Auch dieser Lockdown wird vorbeigehen. Zähne zusammenbeißen und durch.

Seien Sie behütet!

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