Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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16JAN2021
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Am Wochenende gehe ich oft morgens joggen. Am liebsten, wenn es noch dämmert. Am Rhein steht manchmal noch der Nebel über dem Wasser. Das Licht dringt zögerlich durch die kahlen Bäume. Dann aber verblassen die Straßenlaternen und nach vor dem Tageslicht. Ich laufe aus dem Dunklen ins Helle.

Ein Gedanke, der mich begleitet. Es wird wieder hell. Jeden Morgen. Egal, was gestern war, egal, was alles ins Dunkel gefallen ist. Jetzt wird es wieder Licht. Ein tröstlicher Gedanke.

Klar, es gibt Situationen, die sich nicht so einfach aufklären. Wo es oft lange braucht, bis endlich Licht ins Dunkel fällt. Der Tod eines geliebten Menschen. Der lange ungeklärte Streit unter Geschwistern. Die Trennung von Partnerin oder Partner. Das Mobbing in der Schule, der Druck bei der Arbeit. Die unklare Situation angesichts einer Pandemie. Da braucht es mehr, als einen Lichtstrahl am Morgen. Als etwas Helligkeit. Da braucht es Energie, da braucht es Zeit, da braucht es manchmal auch die Kunst, mit dem zu leben, was ist. Mit dem Zweilicht, mit dem Halbdunkel.

Die Morgendämmerung ist ein Bild dafür. Dass der Tag anbricht, dass es ein Morgen gibt. Aber auch dafür, dass es davor das Dämmerlicht gibt. Wo die Konturen unscharf bleiben. Wo noch Dunkel in den Tag fällt.

Wenn ich morgens meine Runde laufe, dann sehe ich beides: Ich sehe die Nacht, die langsam verschwindet. Ich sehe aber auch, dass der Morgen aus dem Dunkel auftaucht.

Beides trägt mich durch den Tag. Dass es Dunkelheit gibt. Und dass es immer wieder morgen werden kann. Jeden Tag.

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