SWR3 Gedanken

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21JAN2021
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Heute ist Weltknuddeltag. Bisher habe ich damit immer Szenen verbunden, wo jemand in einer Fußgängerzone ein Schild hochhält, auf dem „Free Hugs“ – also kostenlose Umarmung draufsteht. Und dann wird umarmt, gelacht, und manchmal ist es auch ein bisschen peinlich.

Der diesjährige Weltknuddeltag dürfte ziemlich ins Wasser fallen. Denn wer lässt sich heute noch umarmen, wo sogar das Händeschütteln schon problematisch ist? Für manche ist das nicht weiter schlimm, andere leiden ganz schön darunter. Denn sich zu berühren und körperliche Nähe ist für viele ein Grundbedürfnis, das es momentan einfach sehr schwer hat.

Schlimm finde ich, dass sich die Meinungen so verhärten. Die einen gehen mit den Beschränkungen zu locker um und gefährden dadurch sich und andere. Die anderen machen einen auf Corona-Blockwart und nerven diejenigen, die versuchen, normal mit der Krise umzugehen. Die einen gelten als die Entspannten, die anderen als die Vernünftigen. Jeder möchte Recht haben, und ein Dazwischen, eine ausgleichende Position, die gibt es gar nicht mehr.

Durch die Gesellschaft geht inzwischen nicht nur ein Sicherheitsabstand, sondern ein richtig großer Riss. Und der geht sogar quer durch Freundschaften und Familien, die sich zerstreiten.

Vielleicht würde da eine virtuelle Umarmung helfen. Dass sich also nicht die Körper umarmen, sondern die Positionen. Dass ich gelten lasse, was der andere denkt, dass ich Bedürfnisse ernst nehme, niemanden vereinnahme, dass ich nicht den Finger erhebe, sondern auf mich selbst schaue. Eine virtuelle Umarmung - vielleicht genau das Richtige am heutigen Weltknuddeltag.

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